AKK: „in der Klimapolitik die Kurve kriegen“

Entwurf für ein schwarz-grünes Regierungsprogramm?

Man darf sich wundern: Wird die Union tatsächlich zur neuen Klimaschutzpartei? Nachdem schon CSU-Söder wiederholt ansetzt, die GRÜNEN zu überholen, verkünden nun CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Fraktions-Vize Andreas Jung, in einem Grundsatzartikel, wie sie in der Klimapolitik „die Kurve kriegen“ wollen.

 

Ist das der erste Entwurf des schwarzen Beitrages zu einem künftigen schwarz-grünen oder gar grün-schwarzen Regierungsprogramm?  

 

Und das ausgerechnet in der Sonntagsausgabe der „WELT“ (11.08.2019, S. 10), diesem journalistischen Schlachtschiff der rechts-konservativen Wirtschaftsfreundlichkeit.

 

Die „WELT“ und „Fridays for Future“

Die wahre WELT-Gesinnung lässt sich gleich neben dem Gastbeitrag der CDU-Spitzen nachlesen: im Kommentar zum Treffen der europäischen „Fridays for Future“-Jugend in Lausanne. Da wird die alte generöse These herausgeklaubt, man dürfe schon mal mit 20 sein Herz an den Sozialismus verlieren – Hauptsache man sei mit 40 dann braver Kapitalist. Und im Gefolge Christian Lindners (Kinder, kümmert euch nicht um eure Zukunft, lasst das die Leute machen, die was davon verstehen!) werden die Teenager ob ihrer Naivität und ihres unbekümmerten Umganges mit Regeln getadelt – milde und verständnisvoll (Kinder sind nun mal Kinder!). Ernsthaft gewarnt werden aber die Politiker: auf keinen Fall dürften sie die „radikalen Forderungen“ der Teenager „ungefiltert in ihre Arbeit übernehmen“. Am besten also (liest man als Fazit heraus): Politik as usual – weiter so wie bisher!

 

„I want you to panic“ – ach was: „Nur nicht aufregen!“

Bloß: wie soll dazu der Artikel von AKK & Jung passen, mit seiner Forderung, wir müssten im Klimaschutz „die Kurve kriegen“? Keine Angst! Der passt schon! Die CDU-Spitzen lassen sich nämlich keineswegs von Greta Thunberg und ihren Tausenden Mitstreiterinnen beeindrucken, sondern vielmehr vom deutschen Astronauten Alexander Gerst. Dieser weist aus seiner überirdischen Perspektive „auf berührende Weise auf die Schönheit und Verletzlichkeit unseres Planeten hin“. Er redet uns zwar „nachdrücklich ins Gewissen“, dies aber „unaufgeregt“ – was der CDU besser gefällt als Gretas „I want you to panic“. Und er wird gleich – ungefragt – zum Kronzeugen dafür gemacht, dass wir das Problem wohl am besten mit „weiter so“ angehen. Denn schließlich war „Gersts Blick auf die Erde aus dem All [nur] dank konsequenter Forschungsförderung, Technologieentwicklung und durch Erfindergeist … überhaupt erst möglich“.

 

Klimapolitik = Technologiepolitik

Und da haben wir dann auch schon die Lösung des Klima-Problems: „mit einer Forschungs-, Innovations- und Technologieoffensive werden wir das ‚zerbrechliche Raumschiff Erde‘ erhalten. Denn Klimaschutzpolitik ist Technologie- und Innovationspolitik“. Wenn die gleichzeitig „Marktchancen und neue Arbeitsplätze“ schafft – umso besser!  

 

Und das war es dann auch schon im Wesentlichen, was CDU-Partei-Vorsitzende und Unions-Fraktions-Vize vorzuschlagen haben, um bis 2050 die „grüne Null“, sprich Klimaneutralität in Deutschland zu schaffen. Die restlichen Drei-Viertel des Textes dienen der Aneinanderreihung von Versatzstücken aus der Klimadiskussion, wie sie in den zurückliegenden Wochen Fahrt aufgenommen hat:  

 

Natürlich nennt man Schlagworte wie „steuerliche Sanierungsförderung und Abwrackprämie für Ölheizungen“, „intelligente Netzsteuerung“ und „Smart City“, schließlich: „vernetzte Mobilität mit attraktiver Bahn und Öko-Autos

 

Kurz, was wieder und wieder wiederholt wird: „Die Schlüssel sind Effizienz, Innovation und Technologie“ – ob damit wohl die „Effizienz“ gemeint ist, mit der unsere namhaften Autokonzerne mit „innovativer“ Software eine beeindruckende Abgas-Betrugs-„Technologie“ geschaffen haben?

 

Dass diesen Groß-Betrügern energisch auf die Finger geklopft wird – davon ist natürlich keine Rede! Stattdessen wir betont, dass die (künftigen) „Öko-Autos hier gebaut, gefahren und in alle Welt exportiert werden“ müssen.

 

Konkrete Vorschläge – zu viel verlangt!

Vorschläge, wie man diesen Öko-Autos oder gar der „vernetzten Mobilität mit attraktiver Bahn“ zum Durchbruch verhelfen könnte? Vorstellungen, wie man mithilfe der „Smart City“ den CO2-Ausstoß reduzieren könnte? – Das wäre doch für einen solchen Grundsatzartikel viel zu konkret!  

 

Die altbekannten Tabus

Und gar die Forderung nach einem generellen Umdenken? Womöglich Vorschläge wie:  weniger Autofahren, weniger Fliegen, weniger Konsum (z. B. kaufen deutsche Verbraucher im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr, die oft nach wenigen Malen Gebrauch weggeworfen werden), Reduzierung des Fleischkonsums, oder gar grundsätzlich: Abkehr von der Wachstumsideologie …? Nichts davon, denn natürlich sind Wörter wie „weniger“ oder gar „Verzicht“ Tabu-Begriffe für die CDU.

 

Stattdessen sollen die „Veränderungen schrittweise gestaltet“ werden. Damit haben wir schließlich Erfahrung: nach 30 Jahren voller Tippelschritte verursacht der Durchschnittsdeutsche immer noch um die 10 Tonnen Treibhausgase / Jahr (CO2-Äquivalente) – das Doppelte des Weltdurchschnitts und ungefähr das 5-fache dessen, was im Hinblick auf das Pariser 1,5-Grad-Klimaziel so einigermaßen verträglich wäre.

 

Dass die Entwicklung inzwischen so dramatisch ist (vgl. Sommer 2018 + 2019), dass wir dringend drastischere Maßnahmen brauchen als nebulöse „Anreize für sparsame Fahrzeuge“ und „Smart-Home-Anwendungen“ – das ist bei der CDU noch nicht angekommen! Dort steht immer noch die Frage im Vordergrund: Können wir das unserer (unserer?) Wirtschaft zumuten? Und: Ist das sozial verträglich (sprich: Können wir das unseren Wählern zumuten)?

 

Staatsziel Umweltschutz?

So greifen AKK/Jung zwar Söders Vorschlag (Söders? In Wirklichkeit eine klassische GRÜNE Forderung) auf, Umweltschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen – aber nicht, ohne das Ziel „Erhaltung der Umwelt“ sorgfältig einzuhegen durch weitere Teilbereiche der Nachhaltigkeit, nämlich eben die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit.

 

Zukunftsverträgliche Wirtschaft oder Wirtschaftsverträgliche Klimapolitik?

Und das scheint das Grundprinzip konservativer Politik zu sein: die Klimapolitik wird konsequent unter den Vorbehalt der „Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit“ gestellt. Das mag ja richtig sein. Allerdings es ist längst an der Zeit, nicht mehr zu fragen: Ist dieser Klimaschutz mit den Bedürfnissen unserer Wirtschaft vereinbar? Sondern vielmehr darüber nachzudenken: Was für eine Wirtschaft brauchen wir, die wahrhaft nachhaltig ist? Die unseren Planeten nicht zu sehr belastet; die für eine angemessene, gerechte Verteilung der Erträge des Wirtschaftens sorgt; die die Bedürfnisse aller Menschen vernünftig deckt, ohne deshalb zu exzessivem Wachstum der Produktion (von Kleiderbergen, s.o.; von wegzuwerfenden Lebensmitteln; von Einweg-Plastikfluten und und und …) gezwungen zu sein? Eine solche Wirtschaft wäre per se geeignet, die soziale Frage zu lösen, besser jedenfalls, als der Verzicht auf dringend notwendigen Klimaschutz, weil dieser „Verlierer einer gut gemeinten Politik“ produzieren könnte.

 

Doch solche grundsätzlichen Überlegungen sind nichts für AKK und Jung. Sie hoffen stattdessen weiterhin auf „Effizienz und Technologie“ als Allheilmittel.  

  

Endlich: ökologische Steuerreform! (… oder? …)

Bemerkenswert ist immerhin der Satz: „Das bestehende Gesamtgebäude aus Entgelten, Umlagen, Abgaben und Steuern im Energiesektor muss grundlegend umgebaut werden“ – fast möchte man die ur-grüne Forderung nach einer umfassenden ökologischen Steuerreform heraushören, erst recht aus dem Nachsatz: „Wir haben nicht zu wenig Steuern, wir haben zu wenig Steuerung.“

 

Mal sehen, was da in den nächsten Wochen an konkreten Vorschlägen nachgereicht wird. Klar ist schon mal, dass man auch bei dieser Reform keinem wehtun, sondern vielmehr „alle mitnehmen“ möchte.