Detmolder Rat schafft Baumschutzsatzung ab
Schlaglichter aus der Ratssitzung
Zu Beginn der Sitzung schlägt Ratsherr Keller von der „Detmolder Alternative“ vor, den Tagesordnungspunkt „Aufhebung der Baumschutzsatzung“ zu streichen, mit dem vollkommen zutreffenden Argument, der Antrag von CDU und SPD lasse jegliche sachliche Begründung vermissen.
Das stößt auf den wütenden Protest der SPD, deren Fraktionsvorsitzender Matz jedoch kurz darauf der Opposition vorwirft, sie sei ja selbst schuld am Ende der Baumschutzsatzung. „Wenn Sie unserem Haushalt zugestimmt hätten“, so Matz, dann hätte die SPD die CDU nicht gebraucht. Damit gibt der Fraktionsvorsitzende zu, dass die SPD diesen Beschluss nur aus machtpolitischen Gründen mitträgt: um die CDU (die diese Satzung schon immer abschaffen wollte) ins Boot zu holen und so den Haushalt durchzuboxen (zum Haushalt: unten mehr!). Und als ob das an Geständnis nicht genug wäre, wiederholt Matz genau dieses machtpolitische „Argument“ ein weiteres Mal am Ende seines kurzen Beitrags, der ansonsten auch keine Begründung für die Aufhebung der Satzung erkennen lässt (und so Ratsherrn Kellers Vorwurf bestätigt).
Da ist die selbstironische Reaktion der CDU auf Kellers Vorwurf eigentlich sympathischer: Die Fraktion lachte lauthals über ihren Mangel an Argumenten! Vermutlich kannte man da auch schon den Witz, den Ratsherr Grigat wenig später beisteuerte, indem er erklärte, die Baumschutzsatzung sei eine Bevormundung der Bürger. Und das A und O jeder Politik sei schließlich, Gängelei der Bürger zu verhindern. Und das von einem Politiker, dessen Partei das große „C“ im Namen trägt! Muss man diese Fraktion daran erinnern, dass Menschen seit Moses Zeiten durch die 10 Gebote gegängelt werden? Der besondere Witz dabei: gerade Herr Grigat hat ja schließlich den Beruf des Rechtsanwalts für sich ausgesucht – ein Beruf, der wie kein zweiter davon lebt, dass Menschen von unzähligen Gesetzen und Verordnungen gegängelt werden – vom Straf- oder Handelsgesetzbuch bis zur Friedhofssatzung in Detmold.
Es blieb einem Landschaftsökologen in Person des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Neuling vorbehalten, den Juristen Grigat darüber aufzuklären, dass der Sinn derartiger Regelungen nicht Bevormundung des Bürgers sei, sondern der Ausgleich zwischen privaten Ansprüchen und den Interessen des Allgemeinwohls. Kapiert scheint’s der Herr Advokat allerdings nicht zu haben. Deshalb darf man mit Interesse seinem Antrag entgegensehen, sämtliche Ampeln in Detmold abzubauen. Schließlich wird jedermann tagtäglich von diesen seelenlosen Apparaten gegängelt.
Natürlich ließen sich die Baumschutz-Gegner auch nicht davon beeindrucken, dass innerhalb weniger Tage über 400 Unterschriften pro Baumschutzsatzung zusammengekommen waren, die vom Grünen-Fraktions-Chef Neuling zu Beginn dem Bürgermeister überreicht wurden. Der lächelte zwar freundlich in die Kameras, verteidigte dann aber mit wolkigen Bemerkungen das Vorhaben seiner Parteigenossen.
Doch noch ein Argument: Das liebe Geld
Mit Geld, vor allem mit dem Mangel an Geld kann man alles erklären. So ist es nicht verwunderlich, dass die Abschaffung der Baumschutzsatzung im Rahmen der Haushaltsberatungen auf den Weg gebracht wurde: als finanzielle Konsolidierungsmaßnahme! Das klang auch in der Ratssitzung gelegentlich noch an – aber ist dieses Argument nicht nur vorgeschoben?
Kein Geld für die Umwelt
Denn schließlich hat es in Detmold Tradition, den Umweltschutz vor allem als Sparbüchse zu sehen: so wurden die Sachmittel für den kommunalen Umweltschutz ebenso gekürzt wie die Zuschüsse für die – über die Grenzen Detmolds hinaus anerkannte – Umweltbildungsstätte „Rolfscher Hof“. Ersatzlos abgeschafft wurde die Vergabe eines Umweltpreises oder die Haushaltsstelle „Förderung von Umweltprojekten“.
Bei all diesen Kürzungen hatten sich die Detmolder Umweltverbände mit Protest erstaunlich zurückgehalten – wohl „aus Einsicht in die Notwendigkeit, auf allen Ebenen zu sparen“, wie ein BUND-Vertreter meinte.
Um so bezeichnender ist, dass nunmehr alle Umweltverbände gegen die Abschaffung der Baumschutzsatzung Sturm laufen. Da wurde offenbar eine Toleranzgrenze überschritten!
Mehr Folgekosten als Einsparung!
Und es ist ja auch wirklich lächerlich – man glaubt jetzt, Personal im Umfang von weniger als einer halben Stelle einzusparen (und der Einspareffekt wäre noch deutlich kleiner, wenn die Detmolder Bevölkerung weiterhin die Beratung in Baumangelegenheiten einfordern würde, welche bisher im Rahmen der Baumschutzsatzung „so nebenbei“ geleistet wurde)!
Vor allem aber ist mit Folgekosten zu rechnen, welche die Baumschutzgegner bei ihrer Entscheidung souverän verdrängt haben:
Allein die zusätzliche Aufheizung der Stadt wird teure technische Maßnahmen erfordern, dazu zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem (von den eigentlichen gesundheitlichen Folgen ganz abgesehen). Und: früher oder später wird man auch in Detmold den Notwendigkeit des innerstädtischen Grüns erkennen und wird dann den leichtfertig aufgegebenen Baumbestand wieder ersetzen müssen – für teures Geld, wie die im Kommentar zitierten Beispielstädte feststellen mussten.
Angesichts dieser absehbaren Folgewirkungen wäre es Pflicht und Schuldigkeit des Bürgermeisters gewesen, den Beschluss des Rates zu beanstanden! Stattdessen (siehe oben …) nimmt auch er diese Fehlentwicklung nicht nur einfach hin, sondern verteidigt sie auch noch. In der Hoffnung, jetzt - vielleicht! – ein paar Euro einzusparen?
Größeres Einsparpotential wird ignoriert
Da ließe sich an anderer Stelle mehr sparen. Erheblich mehr! Welche Maßnahme für das klimazerstörende Auto ist in Detmold jemals am Geld gescheitert? Und da geht es um ganz andere Beträge!
Aktuelles Beispiel: In Kürze soll für den privaten Autoverkehr ein neues Parkhaus gebaut werden (das, dem nicht zugestimmt zu haben die SPD der Opposition vorwirft), das nicht nur - nach derzeitiger Planung (!) - fast 4 Millionen Euro Investitionen kostet, sondern später auch 120.000 Euro öffentliche Zuschüsse pro Jahr (plus event. 16.000 für einen zweiten Fahrstuhl, plus x für die allgemeine Kostenentwicklung).
Dabei wäre es hinsichtlich der von CDU-Kanzlerin Merkel lauf dem letzten „Gipfel“ (mit-)propagierten „Dekarbonisierung“ sinnvoll und notwendig, Alternativen zum gegenwärtigen Individualverkehr zu entwickeln – im globalen Maßstab, aber auch auf kommunaler Ebene – auf der übrigens solche Alternativen anderswo längst ausprobiert werden. Als Beispiel sei nur die Partnerstadt Hasselt genannt, deren großzügige und erfolgreiche Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs viel Lob (auch aus Detmold!) erfuhr.
Wer weiß – wenn der Individualverkehr sich so entwickelte, wie er angesichts der davon verursachten Probleme eigentlich müsste, dann würde das Vier-Millionen-Parkhaus in 10 Jahren als Investitionsruine dastehen.