Lese-Leckerbissen zum Shakespeare-Gedenkjahr

Frank Günter: „Unser Shakespeare“

WaSa     -     1564 ist Galileo Galilei geboren – der Begründer eines neuen Weltbildes. Und William Shakespeare, der Schöpfer eines Bühnen-Universums.

 

Das ist jetzt 450 Jahre her – Jubiläums-Anlass genug, eine neue Bücherwelle in den Ozean von Shakespeare-Literatur schwappen zu lassen. Als erklärter Fan des Shakespeare-Übersetzers Frank Günther (--> "der deutsche Shakespeare") habe ich natürlich als erstes zu seinem „Unser Shakespeare“ gegriffen. In ca. 30 nur lose miteinander verknüpften Kapteln schildert Günther fachkundig und spannend – wie man es von ihm kennt! - die reale Welt, in der Shakespeare lebte, und die Theater-Welt, die das Genie schuf: Die Gebräuche in den Gassen des elisabethanischen Londons werden ebenso plastisch geschildert wie das Gebaren am Königshof.

 

Gelegentlich hat Günther offenbar auf ältere Arbeiten zurückgegriffen: Das Kapitel „Lässt sich Shakespeare verdeutschen?“ beruht wohl auf seiner Dankesrede als Preisträger des Johann-Heinrich-Voß-Preises, den er 2011 für seine Übersetzungen bekam. Deshalb braucht man aber nicht zu befürchten, die Bemerkungen zu einzelnen Shakespeare-Stücken seien ein bloßer Aufguss der bereits seinen Übersetzungen beigefügten Interpretationen. Wer sich etwa seinen Hamlet-Band  hernimmt, sieht schnell, dass Günther in seinem neuesten Werk  sehr viel  mehr über den Dänenprinzen zu sagen weiß, als in seiner Hamlet-Ausgabe von 1995. Und in dem Kapitel „Othello, der POC von Venedig“ geht er weit über das hinaus, was er anlässlich seiner Übersetzung zum Thema Mohren und politische Korrektheit zu Papier gebracht hat.

 

Zwei Schwerpunkte kristallisieren sich heraus: Der eine, im Titel genannte: „Unser Shakespeare“, rekapituliert die Shakespeare-Rezeption (und damit natürlich auch die Übersetzungsgeschichte) in Deutschland. Und der andere: Ein leidenschaftliches Plädoyer (durch eine Fülle von Fakten untermauert!) gegen die scheint’s unausrottbare These, ein „Dorftölpel“ aus dem „Kuhdorf“ Stratford könne unmöglich dieses immense Werk geschaffen haben. Glaubt es ruhig: er konnte! Und er hat! (Und er war natürlich kein Dorftölpel, sondern beherrschte – so nur eines von Günthers Fakten – die klassische lateinische Sprache und Literatur besser als ein heutiger Latein-Student in fortgeschrittenem Semester). Der Furor, den Günther bei diesem Thema  entwickelt, lässt ihn zum Schluss sogar eine zornig-groteske Satire verfassen, wonach Shakespeare nicht nur (nicht) Shakespeare war, sondern auch König(in) Elisabeth … das wirkt in diesem ansonsten so seriösen Buch doch etwas abstrus und wäre verzichtbar gewesen.

 

Der Rest allerdings nicht!

Frank Günther:

Unser Shakespeare

Einblicke in Shakespeares fremd-verwandte Zeiten

 

340 Seiten

 

dtv premium - April 2014  - 14,90 EUR

ISBN 978-3-423-26001-5