Grabbe-Punsch und Grabbe-Preis Überschrift
Grabbe-Gesellschaft feiert mal wieder „würdigen“ Grabbe-Geburtstag
Grabbe und Detmold
g.wasa - Detmold. - Mitten im Advent ist Christian Dietrich Grabbes Geburtstag – für Detmold Grund genug, ihm verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Zu seinen Lebzeiten war das Verhältnis des ungebärdigen Dichters (11.12.1801 – 12.09.1836) zu seiner braven Heimatstadt ja fast schon sprichwörtlich schlecht. Heute dagegen ist man in der „Kulturstadt am Teutoburger Wald“ stolz auf den „betrunkenen Shakespeare“ (wie Heinrich Heine den weinliebenden Grabbe genannt und dies durchaus als Lob gemeint hat). Man pflegt die Erinnerung mit Grabbe-Straße, -Café, -Gymnasium, -Geburtshaus, mit dem wohlgepflegten Grabbe-Archiv in der Lippischen Landesbibliothek und nicht zuletzt mit zwei regelmäßig wiederkehrenden markanten Ereignissen:
- mit dem Grabbe-Punsch, zu dem die (natürlich hier ansässige) Grabbe-Gesellschaft alle Jahre wieder einlädt;
- mit dem Christian-Dietrich-Grabbe-Preis, der alle drei Jahre von der Grabbe-Gesellschaft und vom Landestheater Detmold verliehen wird, und zwar „für ein neues, noch nicht veröffentlichtes und aufgeführtes dramatisches Werk in deutscher Sprache …, das eine künstlerisch innovative Leistung darstellt“ und mit dem nach Möglichkeit der „künstlerische Nachwuchs in Drama und Theater“ gefördert werden soll.
Jetzt war es wieder so weit: am Freitag, der auf des Dichters Geburtstag folgte, traf sich die nach ihm benannte Gesellschaft im Geburtshaus Grabbes zum Punsch, höchstpersönlich gebraut vom Präsidenten Peter Schütze. Ein mit besonderem Interesse erwarteter Höhepunkt dieses Abends: die Bekanntgabe der diesjährigen Grabbe-Preisträger (s. u.).
Grabbe-Jahrbuch 2017
Gespannt waren die „Grabbianer“ auch wieder auf das – traditionellerweise zum Punsch verteilte - „Grabbe-Jahrbuch 2017“, das wieder eine Fülle von Informationen enthält. Der praktische Theaterfreund – vor allem, wenn er noch die Detmolder Gothland-Inszenierung in Erinnerung hat – wird mit Interesse die Berichte über Bernard Sobels Pariser Fassung des „Duc de Gothland“ zur Kenntnis nehmen.
Eher für den Wissenschaftler gedacht sind dagegen die teilweise doch reichlich akademischen Spitzfindigkeiten in mehreren Aufsätzen, z. B. wenn Stephan Baumgartner den recht theoretischen Essay „Das Lachen“ des französischen Philosophen und Literatur-Nobelpreisträgers Henri Bergson („Le rire“, 1900) heranzieht, um das Verhältnis von „Macht“ und „Komik“ bei Grabbe und Büchner (mit Ausblick auf Dürrenmatt) zu untersuchen.
Dagegen sollte man sich weder vom vermeintlich trockenen Stoff (= die Entstehung der historisch-kritischen Grabbe-Gesamtausgabe) noch vom schieren Umfang (mit über 50 Seiten der längste Beitrag im Band) abschrecken lassen, sondern Prof. Lothar Ehrlichs Bericht über Alfred Bergmanns fast schon heroisch zu nennende „Ein-Mann-Arbeit“ lesen: auch die Detmolder, die sich noch gut an den geradezu fanatischen Grabbe-Sammler und langjährigen Spiritus rector des Grabbe-Archivs im lippischen Landesmuseum erinnern, können hier ihr Bild von „Grabbes größtem Fan“ noch erweitern (und: keine Angst vor dem Umfang – der eigentlich Aufsatz umfasst „nur“ 30 Seiten; auf den übrigen Seiten ist vor allem Bergmanns Briefwechsel anlässlich seines großen Werkes abgedruckt – aber Vorsicht: auch da liest man sich gerne fest!).
2018: eine Reise zum 200-jährigen Karl Marx
Über Höhepunkte des abgelaufenen Jahres berichtete Präsident Peter Schütze (nachzulesen im Jahrbuch). Einer dieser Höhepunkte: die literarische Reise nach Berlin/Brandenburg in den „Dunstkreis“ von Kleist, Fontane, Tucholsky, Brecht und und und – wer dabei gewesen war, konnte in Erinnerungen schwelgen; wer keine Gelegenheit dazu gehabt hatte, mag sich auf die nächste Fahrt freuen: anlässlich des 200. Geburtstags von Karl Marx (geb. 5. Mai 1818) führt sie in dessen Geburtsstadt Trier (04.-07.05.2018 – am Abend des Grabbe-Punsches waren noch zwei Plätze verfügbar!). – Was Marx mit der Grabbe-Gesellschaft zu tun habe? Mal davon abgesehen, dass man Grabbe und Marx gerade noch als Zeitgenossen bezeichnen könnte: die Grabbe-Gesellschaft „kümmert sich“ ja schließlich auch um die Detmolder Dichter-Kollegen Grabbes: Ferdinand Freiligrath (17.06.1810 – 18.03.1876) und Georg Weerth (17.02.1822 – 30.07.1856); und die haben – beispielsweise – zusammen mit Karl Marx und Friedrich Engels in Köln die legendäre Neue Rheinische Zeitung redigiert, bevor diese im Mai 1849 wegen Unbotmäßigkeit ihr Erscheinen einstellen musste.
Grabbe-Preis
Für den diesjährigen Grabbe-Preis gab es 56 Bewerbungen, gut ein Dutzend weniger als vor drei Jahren. Eine vierköpfige Jury hat die Bewerbungen gesichtet, nämlich:
- Harald Müller (Herausgeber „Theater der Zeit“),
- Prof. Lothar Ehrlich (Literaturwissenschaftler, Vizepräsident der Grabbe-Gesellschaft),
- Henriette Dushe (Autorin, Trägerin des vorigen Grabbe-Preises),
- Dr. Christian Katzschmann (Chefdramaturg, Landestheater Detmold).
Über das Stück, das vor drei Jahren den Grabbe-Preis gewonnen hat, habe ich (im Jahr des 100. Dada-Jubiläums) nicht gerade freundlich geurteilt („ein neo-dadaistischer Versuch, das absurde Theater der 50er Jahre wiederzubeleben. Oder womöglich nicht einmal Dada, sondern einfach nur gaga (?). – Und das als bestes von 69 Stücken – die arme Jury!“).
In diesem Jahr hat sich die Jury schwer getan, sich auf einen Preisträger zu einigen und hat sich deshalb dazu durchgerungen, den Preis an zwei Autoren zu vegeben: an Mehdi Moradpour für sein Stück „reines Land“ und an Clemens Mädge („Und wenigstens hat es mal gebrannt“).
Die Jury betont die „grundsätzliche Qualität dieser beiden Texte“ (was nicht unbedingt sehr euphorisch klingt). Christian Katzschmann attestiert beiden Stücken „
„sprachliche Stärken, aber auch offene Flanken“. Auf die Frage, ob sich die von ihm gelobte „Feinsinnigkeit der Sprache“ denn auch in handfestes (womöglich gar grabbe-adäquates) Bühnenhandeln umsetzen lasse, gibt er zu, es werde wohl „für die Regie nicht so ganz einfach“. Immerhin: während ich im Vorgänger-Preisstück keinen roten Faden finden konnte legen beide jetzt gekürte Stücke „den Fokus auf einen politischen Aspekt“. – Na, daraus sollte ein gutes Regieteam doch in jedem Fall etwas machen können! Es bleibt jedenfalls spannend!
Die Preise werden am Freitag, dem 19. Januar 2018, vor der Premiere von Thomas Vinterbergs „Das Fest“ im Landestheater Detmold überreicht. Nach den Statuten soll das Siegerstück in einer der nächsten Spielzeiten am Landestheater inszeniert werden. Jedenfalls werden wir Ihnen die Stücke noch ausführlicher vorstellen. Zunächst seien hier die vom Landestheater veröffentlichten Kurzbiografien der beiden Autoren hier in leicht modifizierter Form wiedergegeben:
Clemens Mädge, wurde 1983 in Lüneburg geboren. Nach dem Abitur 2003 war er Bühnentechniker am Ernst Deutsch Theater, Hamburg. Ab 2005 studiert er Germanistik und Geschichte an der Universität Hamburg. Von 2007 - 2010 war er Regieassistent am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Dort inszenierte er seine Stücke „Im Stillen“ (2009), „M - Ein Mann jagt sich selbst“ (2010), sowie eine Bearbeitung von Émile Zolas „Bestie Mensch“ (2011). Weitere Stücke: „Coup d’etat“ und „The Marlboro Man is dead“. 2012 wirkte er als Dramaturg an Babett Grubes Inszenierung von Jon Fosses „Sommertag“ auf Kampnagel mit. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
Mehdi Moradpour, geboren 1979 in Teheran, studierte Physik und Industrietechnik in Nur und Qazvin, Iran, und ab 2004 Hispanistik, Amerikanistik und Arabistik in Leipzig und Havanna. Er lebt in Berlin, arbeitet als Autor und zudem als Übersetzer und Dolmetscher für Farsi und Spanisch. Für „mumien. ein heimspiel“ erhielt er 2015 den Jurypreis des 3. Autorenwettbewerbs der Theater St. Gallen und Konstanz. Sein Stück „türme des schweigens“ bekam 2016 den exil-DramatikerInnenpreis der WIENER WORTSTAETTEN. Er hat sich beteiligt am „Mobilen Arbeitsatelier“ des DRAMA FORUM uniT sowie am Projekt „Krieg im Frieden“, einer Kooperation u. a. des Literarischen Colloquium Berlin und des Maxim Gorki Theaters.
Der Grabbe-Punsch: kulturselige Séance in memoriam Grabbe
Grabbe-Punsch – das ist nicht nur gehaltvolles Getränk, begleitet von adventlichen Leckereien, das ist auch Kulinarik für die Kulturseele …. Auch dieses Jahr hat Hans Hermann Jansen, unermüdlicher Geschäftsführer und guter Geist der Gesellschaft wieder für ein ansprechendes Begleitprogramm gesorgt: mit Rezitationen oder der Vorstellung der Grabbe-Zeichnungen des Detmolder Künstlers Rainer Nummer. Ein Mädchenchor trägt zur Jahreszeit passende Lieder vor – mit einem Appell, der gar nicht oft und laut genug wiederholt werden kann:
Menschen der Erde, reicht euch die Hände …
Leise erklingen die Glocken der Liebe
Für die Menschen dieser Erde
Für den Frieden auf dieser Welt