Zum 125. Geburtstag Alfred Bergmanns:

Eine Ausstellung über „Grabbes größten Fan“ in der Landesbibliothek

(Detmold. WaSa)  „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“, lautet ein altes Sprichwort; manchmal gilt aber auch umgekehrt: „Von seiner Heimat hält der Prophet nicht viel.“ Und oft mag beides zusammenkommen und sich dann gegenseitig verstärken. Einiges spricht dafür, dass genau dies bei Christian Dietrich Grabbe der Fall war, der 1801 in Detmold als Sohn eines Gefängniswärters geboren wurde und demzufolge seine erste Lebensphase im Zuchthaus verbracht hat. Er hat sich dann ein (kurzes) Leben lang schwer getan mit seiner Heimatstadt und deren Enge; und die Detmolder wussten mit dem Säufer und Verfasser anarchischer und bühnenuntauglicher Stücke nichts anzufangen. Erst viel später lernte man, den – neben Freiligrath – größten Detmolder Dichter zu würdigen. Da hatte ihm kein geringerer als Heinrich Heine  längst  den Ehrentitel eines „betrunkenen Shakespeare“ verliehen.

 

Heute sind in seiner Heimatstadt eine Straße und ein Gymnasium nach ihm benannt; eine Grabbe-Gesellschaft ehrt sein Andenken; die Stadt Detmold hat schon mal einen Grabbe-Preis verliehen und die Lippische Landesbibliothek bewahrt mit Sorgfalt und Hingabe sein Erbe.

 

Zu diesem Zwecke hegt und pflegt die Bibliothek ein einzigartiges Grabbe-Archiv, das nicht nur neun vollständige Werkhandschriften und zahlreiche Handschriften-Fragmente umfasst, sondern auch Briefe, biografische Dokumente sowie zeitgenössische Porträts und Stadtansichten; außerdem umfangreiches Material zu Theateraufführungen von Grabbe-Stücken und schließlich ca. 13.000 Bände Primär- und Sekundär-Literatur von bzw. über Grabbe einschließlich Literatur aus seinem Umfeld.

 

Die Fundamente für diesen literaturhistorischen Schatz wurden nun allerdings nicht in Detmold gelegt, schon gar nicht von einem Landsmann des Dichters. Nein, der Begründer des Grabbe-Archivs war ein Sachse: Alfred Bergmann, geboren 1887 in Waldheim/Sachsen. Bergmann besuchte das Gymnasium in Dresden und studierte dann Germanistik in Freiburg, München, Berlin und Leipzig. Seiner literaturwissenschaftlichen Karriere setzte der 1. Weltkrieg zunächst ein Ende; danach arbeitete er im Kohlekraftwerk und später bei der Dresdner Bank, bevor er Anstellungen als Bibliothekar fand. 1929 promovierte er in Leipzig mit einer Arbeit zu Grabbe.

 

Schon vorher hatte er seine Grabbe-Sammlung begonnen, die er im Lauf der Jahre erweiterte. 1938 überließ er diese Sammlung dann der Lippischen Landesbibliothek in Detmold, wo er gleichzeitig eine Stelle als Bibliothekar antrat. (Bild 1)

 

Zum 125. Geburtstag Bergmanns würdigt die Landesbibliothek jetzt seine Verdienste um den Detmolder Dichter mit einer Ausstellung:  „Grabbes größter Fan – Über Leben und Werk Alfred Bergmanns. Die Ausstellung ist vom 12.09. bis zum 02.11.2012 im Treppenhaus und in den Lesesälen der Lippischen Landesbibliothek, Hornsche Straße 41, zu sehen (Mo: 13 - 18 Uhr; Di, Mi, Fr: 10 – 18 Uhr; Do: 10 – 20 Uhr).

 

Natürlich zeigt die Ausstellung einige Preziosen aus dem Grabbe-Archiv (Bild 2 + 3): so die Handschriften von „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ (Bild 4) oder über die „Shakespearomanie“. Oder auch das Reclamheft  „Gothland“ mit dem Stempel des Dresdner Buchhändlers Pfeil – vermutlich das erste Stück in Bergmanns Grabbe-Sammlung, das er sich 1904 für die Schule gekauft hatte (Bild 5). Später hat Bergmann dann für Reclam als Herausgeber der Grabbe-Texte gewirkt (Bild 6). Gezeigt wird auch ein Stich, mit dem Anblick Detmolds, so wie Grabbe ihn gekannt hat (Bild 7); oder – als ein Beispiel für das umfangreiche Theatermaterial – ein jugendstil-inspiriertes Bild aus dem Programmheft zur Gothland-Inszenierung des Deutschen Theaters Berlin, 1984 (Bild 8)

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Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden aber Leben und Wirken Bergmanns. Gezeigt werden zahlreiche Lebenszeugnisse, darunter seine Dissertation oder Dokumente über seine – für ihn selbst überraschende – Ernennung zum Professor aufgrund seiner Verdienste als Grabbe-Forscher.  Ein Exemplar des „Venusgärtleins“  (Bild 9) zeigt, dass Bergmann neben Grabbe auch noch andere Interessen hat: in diesem „Frauenspiegel“  hat der überzeugte Freikörperkultur-Anhänger Material über „die nackte Frau in Sage und Dichtung“  zusammengestellt.

 

Bergmanns Leben als Forscher und Bibliothekar, insbesondere seine Detmolder Zeit, wird mit Hilfe von kombinierten Bild- und Texttafeln im Treppenhaus der Landesbibliothek chronologisch dargestellt: wie er z. B. 1926 von Stefan Zweig zum Katalogisieren seiner Sammlung angeregt wurde (Bild 10). Oder wie er 1936 „vom Reichsstatthalter Meyer“ anlässlich von Grabbes 100. Todesjahr eingeladen wurde, seine Bestände erstmals in Detmold, im Lippischen Landestheater, auszustellen (Bild 11). Diese Tafel deutet auch auf Bergmanns Unbefangenheit  gegenüber den Nazis hin. 1941 wurde er Mitglied der Reichsschrifttumskammer – dies nicht zu werden, hätte allerdings Berufsverbot bedeutet. Ob er auch NSDAP-Mitglied war, ist umstritten. (Immerhin stellt ihm der dezidiert linke Literaturwissenschaftler Gerd Simon in seiner Würdigung eine Art Persilschein aus).

 

Als es später darum ging, die wertvollen Bestände zum Schutz vor Kriegschäden auszulagern, greift Bergmann jedenfalls gerne auf die Hilfe des „Inhabers des goldenen Parteiabzeichens“, Dr. Wiegand, zurück, der trotz allgemeinen Mangels Verpackungsmaterial und Transportkapazitäten zu beschaffen wusste (Bild 12).

 

Davon abgesehen, ist diese Phase mit der Rettung der Bestände, ihrer Auslagerung in ein mitteldeutsches Salzbergwerk, aber auch mit der durchaus mühevollen späteren Wiederbeschaffung eines der spannendsten Kapitel dieser Ausstellung (Bild 13).  Die Chronologie endet dann 1945 mit Landespräsident Drakes berühmt gewordener  „Mahnung! Warnung! ... Pflanzt Kartoffeln! Baut Gemüse! Pflegt die Obstbäume