e7: Tag der offenen Tür in Lage

Tag der geschlossenen Ateliers?

(Angelika Lessmeier)

g.wasa     -     Lage     -     Wir befinden uns im Jahr 2017 n. Chr. In ganz Lippe bleiben die Ateliers geschlossen …

 

Dabei war das doch eigentlich ein fester Termin im herbstlichen Kulturkalender: Der Tag des offenen Ateliers, an dem heimische Künstler und (vor allem) Künstlerinnen zum Besuch ihrer Werkstätten einladen und den Kunstinteressierten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen: für Erläuterungen, für Informationen, für Lob und Kritik oder einfach für ein bissken  Klönschnack bei ‘ner Tasse Kaffee oder ‘nem Gläschen Sekt  

( ->  2015,    2016 ).

 

Dass nun die „Lippische Kulturagentur“ ziemlich überraschend kund tat, 2017 auf dieses Highlight zu verzichten, sorgte doch für erhebliche Enttäuschung bei Künstler-inne-n und potentiellen Besuchern in ganz Lippe.

 

e7 lud ein – und viele, viele kamen

(Kerstin Fürstenau-Wächter)

… ganz Lippe? Nein! Eine von engagierten Künstlerinnen bevölkerte Ateliersgemeinschaft in Lage hört nicht auf, die Tradition fortzusetzen. „Pfeif auf die Agentur“, mögen sich die sieben Aufrechten von „e7“ gesagt haben; jedenfalls haben sie für den zweiten Novembersonntag zur „Kunst-Matinee mit kreativen Köstlichkeiten + inspirierenden Getränken“ in die Elisabethstraße 7 in Lage eingeladen.

 

Und der Erfolg gab ihnen Recht! Zwischen 11 und 17 Uhr gaben sich die Kulturfreunde die Türklinke in die Hand, schoben sich die Besucherströme durch die engen Gänge, betrachteten die Kunstfans die ausgestellten Werke und diskutierten in den einzelnen Ateliers …

 

Und es gab reichlich zu betrachten und zu diskutieren. Man konnte sich einen Überblick über die Arbeiten der sieben Künstlerinnen verschaffen: sieben Œuvres, unterschiedlich in Motivwahl, Methodik und Stil, sicherlich auch nicht alle auf einer Höhe was Anspruch und Qualität anbelangt, aber insgesamt ein spannender und beeindruckender Einblick in das vielfältige regionale Kunstschaffen. –

 

Nur drei Beispiele:

 

Vom Punkt zum Akt:  Anita Brede

Betritt man ihr Atelier, ist man zunächst fast etwas erschrocken angesichts der hier herrschenden Gedrängtheit; aber wenn man sich einen ruhigen Rundblick gönnt, ist man fasziniert von dem engen Nebeneinander unterschiedlichster Werke, von dem Spektrum der Künstlerin, das hier offensichtlich wird: Da springen wieder die großen leuchtend-blauen Flächen ins Auge, denen die Malerin allein durch das Neben- und In-einander der diversen Blautöne eine enorme Dynamik mitgibt. –

 

Und da sind auch wieder ihre Punkte, die wir früher mal in ihrer bildfüllenden, gleichmäßigen Reihung als „dröge“, gar „etwas langweilig“ bezeichnet hatten; jetzt, als weiße Flecken auf schwarzem Grund, wirken sie als Blickfang, als Gestaltungselemente auf Bildern, die vor rotem Hintergrund braunhäutige  Frauen in (pastell-)bunten Gewändern zeigen: nordafrikanische Bäuerinnen, die Samen ausbringen? Oder exotische Prinzessinnen mit Schmucksteinen?

 

 

Überhaupt gehören Frauen zu Bredes Lieblingsmotiven, wobei sie ein besonderes Faible für Frauenakte hat.  Schon anlässlich ihrer AKTuell-Ausstellung in Detmold (2015) hatte sie davon geschwärmt, wie gerade die Aktmalerei das gegenseitige Vertrauen zwischen Malerin und Modell fördert, ja, mehr noch: Dabei „gerate ich nicht nur mit dem Körper des Modells in Harmonie, sondern auch mit dem eigenen“.  Daraus folgt – so scheint es – eine besonders liebevolle Darstellung von Charakteren, von – bei aller Dezenz – erotisch-verführerischen Persönlichkeiten.

 

Im Farbenrausch: Angelika Leßmeier  

Ist es Understatement oder gar „Fishing vor compliments“, wenn Angelika Leßmeier ihre neue Bilderserie unter dem Obertitel „Leichte Kost“ zusammenfasst? – Weder noch. Mit der „leichten Kost“ sind nicht etwa die Werke selbst gemeint, sondern vielmehr deren Vorlagen, deren Inspirationsquellen: die Sonntagabendkrimis der ARD - denen man nun allerdings auch nicht immer das Prädikat „leichte Kost“ verleihen möchte. Und auch wenn Leßmeier die fiktiv-realen Opfer/Mörder/Kommissare immer stärker abstrahiert, deren Charaktere immer vollständiger in Farben umsetzt, so kommt auch da bestimmt nichts Harmlos-Beruhigendes („leichte Kost“) raus:       

 

Wenn da etwa auf einem beruhigend(?)-blauem Rest-Hintergrund sich ein aggressiv-grünes (Un-)Wesen ausbreitet, wenn da von links oben sich ein düster-rot-dräuender Fremdkörper ins Bild hereindrängt, wenn man in der Mitte des rechten Bildrandes ein stilisiertes Haifischmaul erkennen möchte, und wenn das Ganze von totenblass-weißen Schlangen/Krakenarmen/Geisterwesen um- (ver-?)schlungen wird – dann muss die Malerin dieses Schreckensbild noch abmildern, indem sie es durch ein monochromes Quadrat  ergänzt, dessen friedliches Grün das zentrale formlose Ungetüm des Hauptbildes neutralisiert …

 

Auch sonst dominiert bei Angelika Leßmeier das Kräftig-Bunte (s. a. Ausstellung 2015). Man könnte meinen, die Abstraktion feiere ihre Überlegenheit über das Gegenständliche in einem Farbenrausch: wenn etwa grün-züngelnde Flammen über einem Zebrastreifen als Rest-Realität zusammenschlagen; oder wenn eine (angedeutete) Baumgruppe hinter einem blauen Nebel verschwindet …

Wie Reminiszenzen an eine ferne Vergangenheit erscheinen da ihre eher gegenständlichen Bilder: zwei Landschaften, welche – direkt nebeneinander gehängt - die äußersten Ränder unserer Republik evozieren: einerseits ein Strand mit dem Gegeneinander der Ockerschattierungen des Sandes und der Blautöne des Wassers, andererseits eine an Hodler erinnernde Gebirgslandschaft.

 

 

Mein Favorit – meiner Vorliebe für abgründig-surrealistische Motive geschuldet – ist erst recht ein „altes“ Werk aus dem Jahr 2009 (man erinnert sich: Varusjahr): die fast schon fotorealistische Darstellung einer extravangant-chic-gekleideten modernen Frau vor einem Teutoburger-Wald-Panorama (inclusive Hermannsdenkmal). Man muss schon genauer hinsehen, um zu entdecken, wie diese „Tussinelda“ aus der Zeit gefallen ist: ein Stückchen römisch wirkende Säule, ein germanisch anmutendes Lagerfeuer; und die Kleidung gibt bei näherer Betrachtung auch immer mehr Rätsel auf …. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bunte Phantastik: Kerstin Fürstenau-Wächter

 

 

 

Die Liebhaber surrealistischer Phantastik kommen dann bei Kerstin Fürstenau-Wächter voll auf ihre Kosten: das beginnt mit den grellbunten Gesichtern, die man für Masken halten würde, wenn da nicht die lebendigen Augen wären  …

 

Das setzt sich fort in Adaptionen von Märchenwelten, von klassischen Motiven, auch mal aus der antiken Mythologie: wenn etwa der (oben genüsslich Wein schlürfende und unten fröhlich pinkelnde) „kleine Bacchus“ von Guido Reni (um 1623) unten zensiert und oben durch eine übergestülpte Einkaufstüte seines Genusses beraubt und nebenbei noch mit ein paar abgründigen Accessoirs ausgestattet wird.

 

 

Mein persönlicher Favorit: ein klassisch (-expressionistisches) „Seestück“, das aber den Rahmen sprengt, überfließt, die Welt drumherum überschwemmt. Und ein kräftiger Schwall des überfließenden Wassers ist wohl aufs Nachbarbild hinübergeschwappt, wo er nun eine kühle Schönheit umhüllt, wie ein (äußerst vergängliches?) Kleid.

... und so weiter ...

Wenn die vier anderen Mitglieder der Ateliergemeinschaft hier nicht berücksichtigt sind, so liegt das v. a. daran, dass ich keine Gelegenheit hatte, ihre Werke zu fotografieren. - Zumindest seien sie hier namentlich genannt; soweit ich sie gefunden habe: mit einer Web-Adresse, die zu weiterer Information führt:

 

Doris Lemberg-Hinsenhofen

http://www.w238phk52.homepage.t-online.de/doris/ausstellungen.html

 

Susann Matz

http://www.gallerie-art-life.de/

 

Regina Monczynski

https://www.facebook.com/regina.monczynski

 

Heike Sobioch