leichte Mädchen und gewichtige Collagen

"offene Ateliers" in Detmold - 2016

g.wasa     -     Detmold.     -     Ein wichtiger Termin im lippischen Kulturkalender ist das Wochenende der offenen Ateliers. Ganz im Sinne der klassischen Hoffmannschen Forderung „Kultur für alle!“ gibt es ein breites Angebot an Kunst:

 

Heimische Künstler-innen haben Gelegenheit, ihre Werke ohne großen logistischen Aufwand – nämlich zu Hause / in ihren Ateliers – einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren; jede(r) Kunstinteressierte findet in seiner Nachbarschaft die Gelegenheit, mit Künstler-inne-n über deren Intentionen zu diskutieren, sich die Werke sozusagen „aus erster Hand“ erläutern zu lassen oder sie sich einfach nur anzusehen.

Am vorigen Wochenende war es wieder so weit: Circa 60 lippische Künstler und – vor allem – Künstlerinnen haben in ihre Ateliers eingeladen (www.offeneAteliers-Lippe.de); allein für Detmold stehen 11 Namen in der kleinen Broschüre, mit der die Lippische Kulturagentur jeden Teilnehmer mit einem Werk kurz vorstellt; hinter einigen Namen stehen Ateliergemeinschaften mit mehreren Beteiligten (s.u.).

 

Der Schwerpunkt lag einmal mehr auf der Malerei; aber daneben gab es auch diesmal  wieder Fotoarbeiten, Skulpturen oder mal ein Video. - Am meisten beeindruckt hat mich dieses Jahr jedoch - angesichts ihrer Ästhetik und aufgrund ihrer Aussagekraft - eine Gruppe von Collagen (s. u.).

 

Klar: auch 2016 findet sich in den „offenen Ateliers“ dieses oder jenes Kunstgewerbliche; auch dieses Jahr wird so manche naive Banalität präsentiert  – aber was soll’s: auch unsere bedeutenden Museen bestücken heutzutage ihre Säle mit immer mehr Banalem (nicht selten mit „großen Namen“ signiert).

 

Aber vor allem: auch dieses Jahr gab’s wieder viel Bemerkenswertes: kräftige Farben, überraschende Kompositionen, zum Nachdenken anregende Motive; kurz: Sehenswertes! – Als Beispiele: einige Highlights aus Detmold:

 

Der Farben-Rausch der Ruth Heuwes-Ahlers   

Ruth Heuwes-Ahlers

32756 Detmold

05231 3012010

 

 

Schon im Vorjahr war ich vom Farben-Rausch der Ruth Heuwes-Ahlers angetan; und auch 2016 wurde ich nicht enttäuscht, ließ mich von ihren kräftigen Rot-/ Blau-/ Grün-Tönen begeistern!

Fotos und leichte Mädchen - "Tempo" bei pickArt

pickArt

Ecke Schüler-/Leopoldstr. - 32756 Detmold

0151 72305367

 

www.pick-art.de

 

 

Unter dem (etwas rätselhaften) Titel „Tempo“ präsentiert die Galerie Schüler-/ Leopoldstraße schwerpunktmäßig Fotoarbeiten mehrerer Ausstellerinnen. Zum Beispiel zeigt Karin Hattenkerl neben sehenswerten Städtebildern ihre verfremdeten Naturaufnahmen, wie sie so ähnlich schon im Vorjahr zu sehen waren.

 

Einen ironischen Akzent setzt hier Heike Flörkemeier mit ihren „leichten Mädchen“ – eine Art Zwitterwesen zwischen Mäusen und Mädchen, wie sie sie schon vor 20 Jahren zeichnerisch dargestellt hat, und die sie jetzt als dreidimensionale Draht-Bambus-Kunststoff-Konstruktionen wieder aufleben lässt.

Zinnober - Farbe oder Ironie?

13.14produzentengalerie

Richthofenstr. 16 - 32756 Detmold

05231 4302

www.13punkt14produzentengalerie.de

Öffnungszeiten: Mi 15-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr

 

 

Ironie“ ist auch ein Leitbegriff der derzeitigen Gemeinschaftsausstellung der 13.14produzentengalerie:  das Motto „Zinnober“ verweist zwar einerseits auf die Grundbedeutung: „leuchtend gelbliche-rote Farbe“; doch soll auch die Vorstellung „Unsinn, wertloses, dummes Zeug“ mitschwingen, die der Duden als „saloppe“ Nebenbedeutung von Zinnober anführt.

 

 

Nicht zu vergessen: E.T.A. Hoffmanns satirisches Märchen von dem missgestalteten boshaften „Klein Zaches“, der dank eines Feenzaubers seiner Umwelt als schöner, vielseitig begabter „Zinnober“ erscheint.

 

Irene Schramm-Biermann hat dazu mit Pastellkreide Illustrationen geschaffen.

 

Ansonsten bedient Schramm-Biermann auch diesmal wieder die Mathe-Fans unter den Kunstbegeisterten: mit einem format-sprengenden Möbius-Ring, dessen eine Seite (ja ja, ich weiß: eigentlich darf man hier nicht von „einer Seite“ sprechen) zinnoberrot eingefärbt ist. – Als „mathematischen Zinnober“ bezeichnet sie ihre Darstellung des „Buffonschen Nadelproblems“ (das, nebenbei bemerkt, auch benutzt werden kann, die geheimnisvolle Zahl π (Pi) auf geometrisch-statistischer Basis näherungsweise zu bestimmen, wenn man die hier angegebene Formel umformt); um das zu verstehen, muss man allerdings schon ziemlich tief in die Mathematik einsteigen  - hier darf man sich damit begnügen, sich an der graphischen Darstellung verstreuter Nadeln auf (zinnober-)rotem Grund zu delektieren …

 

 

Einfach eine Farbe ist Zinnober für Christel Aytekin, hier zum Beispiel in ihrem mit „Gemeinsam“ überschriebenen Bild.

 

 

 

 

 

 

 

 

Öl / Pigmente / Leinwand

160 x 80 cm

 

 

Ebenso für Anita Brede, die aus ihrer Reihe „Akte“ einen – (zinnober-) roten Linolschnitt beigesteuert hat.

 

 

 

„Wird die Farbe überschätzt?“ fragt dagegen Edith Hausstätter und bezeichnet ihre „Zinnoberseife“ ironisch als „Seifenzinnober“.  

"Objekt: Tanz um's goldene Kalb oder 'so ein Zinnober'"

 

 

 

Ironie („so ein Zinnober!“) ist auch im Spiel, wenn Johann Georg Ludwig seine Fußball-Installation als „Tanz um‘s goldene Kalb“ entlarvt …

"o.T" - Acryl / Öl / Leinwand - 120x160 cm

Im Übrigen ist Ludwig mit großformatigen leuchtend-bunten (nicht nur zinnoberroten) Acryl- und Ölbildern vertreten, die er gerne „o. T.“ (= ohne Titel) lässt. – Schon letztes Jahr hat er mir seine „Arbeitsweise“ so erläutert:

 

 „… eine Arbeitsweise, die von den Farben ausgeht: Ich beginne mit einer Farbe, wähle dann – je nach Stimmung – eine dazu passende aus, und fahre so fort … Erst gegen Ende sehe ich selbst, was sich daraus ergibt.“

 

Und dieses „sehen, was sich daraus ergeben hat“ will er auch dem Betrachter überlassen, ohne ihn durch eine Titelvorgabe zu bevormunden. Ich muss zugeben: seine diesmal gezeigten Beispiele haben mich aufgrund ihrer Farbenpracht und ihrer phantasie-anregenden Komposition ähnlich beeindruckt, wie im Vorjahr seine (betitelte) „Ursuppe“.  Dennoch bleibt bei mir ein Unbehagen: leistet dieses Verfahren doch der um sich greifenden Beliebigkeit in der Kunst Vorschub!  

 

BELA: vielsagende Collagen

 

Einen Gegenpol zu den (oft beliebigen) „Titellosen“ bildet BELA mit ihren Collagen, die nicht nur ästhetisch ansprechen sondern in ihrer Mehrzahl auch die Phantasie anregen, oft an aktuelle Strömungen, auch mal an drängende Probleme erinnern, ohne diese – platt-politisch – dem Betrachter aufzudrängen, sie eher zurückhaltend andeuten oder spielerisch verfremden, wodurch sie dem empfänglichen Zeitgenossen umso nachhaltiger bewusst werden. Unterstützt werden diese dezenten Botschaften nicht nur durch einfache „Überschriften“, sondern durch kurze poetisch-sensible Begleittexte.

 

BELA - 32760 Detmold - 05231 46182