Etikettenschwindel    und    Reus ex machina

Zum Jubiläumsjahr:    Varus steht nur im Titel

Ein Varus-Krimi zum Varus-Jahr?

WaSa  -  Lippe.   Jürgen Reitemeier und Wolfram Tewes könnten als die Väter des lippischen Regionalkrimis bezeichnet werden, denn schon 2000 erschien ihr erstes Buch über den Detmolder Kriminalpolizisten Jupp Schulte und seine Kollegen. Seither liegt (fast) alle Jahre wieder zuverlässig kurz vor Weihnachten ein Folgeband in den Buchhandlungen – immer mit viel Lokalkolorit und häufig mit aktuellen Bezügen: so spielt 2004 die Fußball-Europameisterschaft ebenso eine Rolle wie 2005 das Aus für das Detmolder Drachenmuseum.

 

Da lag es nahe, 2008 das bevorstehende 2000-jährige Jubiläum der „Schlacht im Teutoburger Wald“ anno 9 n. Chr. zum Krimithema zu machen. Und so wird dem unglücklichen Verlierer  jener Schlacht nun zu seinem 2000. Todestag wenigstens die Ehre zuteil, Titelheld eines waschechten Lippekrimis zu werden: „Varusfluch“  steht auf dem Umschlag – und damit hat es sich auch schon! Mehr Varus ist nicht! Geschweige denn dass ein obskurer Fluch des tragisch gescheiterten römischen Heerführers das heimelige Lippe erschüttern würde! Zwar wird gleich auf der zweiten Textseite, im Prolog, ein Mordopfer inmitten antiker (?) Kriegsaccessoirs gemeuchelt; doch was es mit dieser Untat auf sich hat, wird erst auf den letzten Seiten klar – und der römischen Requisiten hätte es nicht bedurft; der arme Kerl hätte genauso gut  zwischen ausrangierten Gartenmöbeln oder Kisten voller Kaviar ermordet werden können.

 

Die Geschichte: dürftig

Stephan Rathmeier, Förster des Landesverbandes Lippe, findet am Bielstein, im Wald über Detmold römische Waffen und Rüstungsteile (ob sich wohl Stephan Radeck, realer Förster des Landesverbandes Lippe, wiedererkannt hat?) – das könnte angesichts des bevorstehenden Jubiläums der Varusschlacht eine Sensation sein. Wenn die Funde denn echt sind.

 

Und damit sind wir schon beim Grunddilemma jeder Krimi-Rezension: Wieviel muss man vom Inhalt verraten, um einen Eindruck vom Buch zu vermitteln? Und wieviel darf man verschweigen, um dem künftigen Krimi-Konsumenten nicht die Spannung zu verderben?

 

Nun wird weder eine Leserin mit ein bisschen Erfahrung in Krimi-Dramaturgie, noch ein Leser, der gerade mal eine ferne Vorstellung von archäologischen Funden hat, auch nur über ein paar Krimiseiten hinweg glauben, dass metallene Ausrüstungsgegenstände 2000 Jahre lang im Boden gelegen haben sollen, und nunmehr ausgerechnet zu einem solchen Termin und an einem solchen Ort und in einem hervorragenden Erhaltungszustand auftauchen. Die Bodendenkmalpflegerin des Lippischen Landesmuseums muss bis Seite 199 warten, bevor ihr Reitenmeier/Teiwes erlauben, ihre Zweifel zu äußern. Hier muss das schneller gehen – also: irgendwann wird klar, dass die Fundstücke zumindest Jahrhunderte nach Varus entstanden sind; und am Ende weiß man dann, dass sie ganz neu, also gefälscht sind.

 

Was von Varus im Krimi übrig bleibt, sind ein paar Hinweise zum Streit zwischen Osnabrück und Lippe um den wahren Austragungsort der legendären Schlacht. Und was bleibt an Krimihandlung? Der erwähnte Mord im Prolog, der im Juli 2000 geschah und jetzt erst, um Ostern 2008, aufgeklärt wird, dessen Motiv aber mehr mit Finanzen als mit Römern zu tun hat. Dazu noch ein tödlicher Unfall während einer Auseinandersetzung um die gefälschten Fundstücke. Der letztlich Schuldige an beiden Todesfällen, der geheimnisvolle „Chef“ im Hintergrund, wird am Ende nicht durch gewitzte oder auch nur fleißige Ermittlerarbeit gefunden, sondern lediglich wegen des dummen Zufalls, dass ein alter Journalist zur falschen Zeit am falschen Ort ist (reus ex machina *) – hätte Varus‘ Zeitgenosse Horaz das genannt). Und die letzten Zusammenhänge erfährt der Leser dann  aus dem Bericht über die Verhöre des bereits Verhafteten – eine Verlegenheitslösung, zu der Krimiautoren immer dann greifen müssen, wenn sie nicht in der Lage sind, einen sich allmählich entwickelnden Aufklärungsprozess zu gestalten, geschweige denn dem Leser zu ermöglichen, im Verlauf der Lektüre selbst die Lösung zu finden, also selbst Detektiv zu spielen – weshalb man ja eigentlich einen Krimi liest und was letztlich einen GUTEN Krimi ausmacht.  

Kommissar & Co.: bunte Truppe

Mitautor Wolfram Tewes hat mal verraten:  „Wir haben zuerst die Charaktere geschaffen. Die Handlung entwickelte sich danach ganz folgerichtig." – Das merkt man! (Wobei über das Wort „folgerichtig“ noch zu reden sein wird!) – So dürftig die eigentliche Krimihandlung ist, so lebendig erscheint das Personal dieses Romans, allen voran Kommissar Jupp Schulte, der Held dieser ganzen Lippekrimi-Reihe.

 

Auf Seite 328, kurz nach Abschluss des Falls (dessen Aufklärung sich vielleicht über drei, vier Wochen hingezogen hat), hat er Geburtstag. Dabei hatte er doch auf  Seite 14 erst „vor kurzem mit seinem fünfzigsten Geburtstag die Schallmauer überschritten“  (so viel schon mal zu „folgerichtig“; und wenn wir schon beim Meckern sind:  überschritten wird vielleicht die Schallgeschwindigkeit, die Schallmauer wird  durchbrochen).

 

Jedenfalls: dieser Jupp Schulte ist eine Type! Man kann nicht umhin, ihn zu mögen – schon seltsam, angesichts des Bündels eher fragwürdiger Charaktereigenschaften, die ihm die Autoren verpasst haben. Ein Hinweis auf seine körperliche Faulheit sei vollständig zitiert (da es sich dabei gleichzeitig um eine der wenigen wirklich gelungenen originellen Formulierungen im ganzen Buch handelt):

 

Er konnte stundenlang tapfer sitzen, sei es am Schreibtisch, im Auto oder in der Kneipe. Kein Problem. Auch liegen war prima, keine Frage. Aber laufen?“

 

Er ist chaotisch, unordentlich und „ungehobelt“; „oft hatte er mehr getrunken als ihm gut tat“ (S. 120). Allmählich ist er in Gefahr, sich zum Misanthropen zu entwickeln. Auf eine Beziehung zu seiner Tochter und seinem Enkel lässt er sich nur widerwillig ein. Dabei muss er doch mal ein ziemlich heißer Feger gewesen sein – jedenfalls hatte er damals in einer Nacht mit zwei Frauen zwei Töchter gezeugt … Auch heute hat er durchaus noch Sehnsüchte nach dem anderen Geschlecht – und scheint durchaus noch „Schlag“ bei den Frauen zu haben, wird von mindestens zwei attraktiven Kolleginnen unmissverständlich ermuntert – aber dann setzt er sich doch lieber auf sein schäbiges Sofa und trinkt ein Bier mit seinem Vermieter, dem alten lippischen Bauern Fritzmeier – auch so eine skurrile Gestalt, wie es sie reichlich in diesen Krimis gibt. Leider würde es viel zu weit führen, die alle hier gebührend zu würdigen.

Der Text: aufgebläht

Und leider kann man auch nicht empfehlen, einfach das Buch zu lesen, um diese Figuren kennenzulernen. Dafür ist der „Varusfluch“ schon mal viel zu lang. Die Lektüre von 333 Seiten verbraucht – im Vergleich zur dürftigen Krimihandlung – einfach zu viel Lebenszeit! Die Autoren haben kaum einen Kunstgriff ausgelassen, den Text aufzublähen!

 

Das fängt an mit dem Aufblähen von Formulierungen: Es reicht nicht, dass ein Dach „flach“ ist, es muss mindestens „sehr flach“ sein. Wenn’s Herr Müller eilig hat, dann fährt er nicht nur „auf dem schnellsten Weg zum Schloss Brake“, sondern dazuhin „ohne auch nur eine Straßenverkehrsregel zu beachten“ [was ich – nebenbei – nicht glaube]; und er „stürmt“ nicht einfach „in sein Büro“, sondern sogar „ohne jeden Umweg“!  

 

Weiter geht’s mit schlichten (oft sehr schlichten!) Wiederholungen. Das auffälligste von vielen Beispielen: Auf S. 225 heißt es über eine Osnabrücker Kneipe: 

 

„Eine besondere Spezialität ist die Altbierbowle. Die musst du dir verrückterweise an einer separaten Altbiertheke holen. Alles andere wird natürlich an den Tisch gebracht.“

 

Und genau zwei Seiten weiter:

 

„… man müsse sich die ‚Bowle an einer speziellen Theke selber holen. Alles andere würde aber selbstverständlich am Tisch serviert.“

 

Wenn der Landesverbandsvorsteher Verantwortung übernehmen soll, wird seinem Entsetzen darüber in drei verschiedenen Formulierungen Ausdruck verliehen: „Jetzt hatte er den Schwarzen Peter“; nach etwas Blah-Blah dann im übernächsten Absatz: „Alles würde an ihm hängen bleiben“; und für die, die’s immer noch nicht kapiert haben, gleich darauf noch: „würde er den Kopf hinhalten“ (S. 236 f.)

 

Es mag ja wichtig sein, dass Schulte in einer Art Midlife Crisis steckt und über den Sinn seines Berufes nachdenkt – aber müssen seine depressiven Anwandlungen deshalb gleich ein gefühltes halbes Dutzend Mal wortreich ausgebreitet werden (z. B. S. 12-15, 65, 120-122 …)

 

Damit wären wir schon beim nächsten „Kunstgriff“: Weitschweifigkeit. Bis der Journalist Grafenberg eine Adresse findet, braucht es eine langatmige halbe Seite voller Gemeinplätze:

 

„Nun fiel es ihm wieder ein. Er sollte nach rechts abbiegen. Gesagt – getan, er folgte der Straße … Die Elisabethstraße, sein Ziel, führte [man mag’s kaum glauben!] sowohl nach rechts als auch nach links …  “ (123 f.).

 

Noch eine ganze Seite mehr benötigt Fritzmeier, allein um am Pförtner eines Seniorenheims vorbeizukommen (258 f.).

 

Und so weiter, und so fort, et cetera pp …

Bundesliga, Behördenschelte und verkaufter Hermann:

Willkommen in der Sachfremde  

Und weil das alles immer noch nicht reicht, um die 333 Seiten zu füllen, wird das Buch vollgestopft mit Zeugs, das nichts, aber auch gar nichts mit dem Fall zu tun hat: Bundesligaergebnisse (S. 254), der öde Ehealltag des Journalisten Rodehutskors, die Frisier-Gewohnheiten eines längst verschollenen Kollegen („Ich weiß gar nicht, was aus dem geworden ist“; 240) …

 

Besonders gern werden bissige Seitenhiebe gegen die Detmolder Stadtverwaltung eingestreut. Man könnte glauben, da hätten die Autoren noch ein Hühnchen zu rupfen …. Ob Drachenmuseum, Marktplatz-Umbau oder verpatzte Landesgartenschau – genüsslich werden Pannen und Versäumnisse dem Detmolder Bürgermeister aufs Butterbrot geschmiert („Der hat schon einiges angefasst, was dann nicht zustande kam“, 95); den Vorwurf einer „völlig weltfremden Verkehrsführung der Detmolder Stadtplaner“ (157) mag man durchaus nachvollziehen (wer allerdings ein bisschen Ahnung von der  Verwaltungsstruktur hat, der weiß, dass die Verkehrsplaner in einem ganz anderen Fachbereich sitzen als die Stadtplaner).

 

Auch der (ganz gegen seine Gewohnheit nur eine Nebenrolle spielende) Landrat wird nicht gerade als Lichtgestalt gezeichnet; und der Landesverbandsvorsteher tritt als ausgesprochene Lusche auf (sollte ein Lippekrimi tatsächlich mal einem Nicht-Lipper in die Hände fallen, so wird der vermutlich nicht wissen, was der Landesverband Lippe ist; aber dafür gibt’s ja Wikipedia & Co.).

 

Die herrlich-absurde Geschichte allerdings, wie der Landesverbandsvorsteher und sein Kämmerer nach Dubai fliegen, um für 15 Millionen Euro den Hermann an einen geplanten Skulpturenpark zu verscherbeln, und dort den märchenhaften Luxus des Burj Al Arab genießen (dagegen „ist die Burg Blomberg eine Bretterbude“, 172) – die hätte geradezu ein eigenes Buch verdient! So’n bisschen Krimi-Drumherum hätte den Autoren doch auch dazu einfallen können (hätt‘ ja gar nicht mehr sein müssen als beim „Varusfluch“).

 

Lippe-Faktor: reichlich!

Und natürlich werden die Seiten mit Lokalkolorit gefüllt – was bei einem Regionalkrimi ja auch nur recht und gut ist! Diesmal auch ein bisschen was aus Detmolds niedersächsischer Konkurrenzstadt Osnabrück, wo sich die Autoren auch einigermaßen auszukennen scheinen (zumal in der Kneipenszene). Und noch ein klein bisschen aus Bielefeld (Heimathaus Jöllenbeck, „hoffentlich steigt Arminia nicht ab“). Aber vor allem herrscht lippisches Flair: Hermann, Landesverband, Behördenpannen wurden schon angesprochen. –

 

Was mir als Fan des Detmolder Landestheaters besonders gefallen hat: Der knorrige Bauer Fritzmeier rezensiert die Ballett-Inszenierung, in die ihn eine Freundin geschleppt hat (91) - ein Kabinettstückchen unbefangener Kunst-Rezeption! Dass er sich nicht merken kann, ob dieses dubiose Tanzstück nun „Ententeich, Gänsetümpel oder Schwanensee“ heißt, mag man ihm ja noch glauben; aber dass er denkt, der Komponist „Scheikowski“ sei identisch mit dem ehemaligen Trainer des FC Bayern München Tschik Čajkovski – gar so viel Unbedarftheit sollten die Autoren auch ihrem (ansonsten doch recht aufgeweckten) alten lippischen Bauern nicht unterstellen!

"La Citadelle", 2010 - im "Varusfluch" letzte Rettung für einen Verfolgten

Natürlich kommt auch die lippische Gastronomieszene nicht zu kurz. Neben Institutionen wie dem Lippischem Hof (Detmold) und Gasthof Lallmann (Lemgo-Lüerdissen) spielt auch „eine originell eingerichtete Gaststätte“ eine bedeutsame Rolle (163), die – obwohl mitten in Detmolds Innenstadt gelegen – zu den verstecktesten und unbekanntesten Lippes zählt: gemeint ist wohl die „Citadelle“, ein französisches Weinlokal (das angeblich inzwischen geschlossen hat ) – ein ausgesprochener „Geheim-Tipp“ (und deshalb auch ohne Namesnennung?)  

 

Bei all diesen genauen Details bleibt ein Rätsel: Wo befindet sich eigentlich der Bauernhof, auf dem Jupp Schulte zur Miete wohnt? „In Heidental“, ja (332), aber wo ist das? Ich hätte es im Bereich Heidenbach / Heidentalstraße gesucht, also irgendwo in Hiddesen. Aber wieso fährt Schulte dann, wenn er’s so richtig eilig hat, von dort in die Bülowstraße zu kommen, durch die Leopoldstraße (311)???

 

Liegt also Heidental ganz wo anders? Oder ist die „Leopoldstraße“ samt der ganzen detaillierten Routenbeschreibung schlicht ein Fehler? Kaum – obwohl es längst nicht der einzige wäre!

 

„folgerichtig“ – eher nicht!

Denn immer wieder stößt man auf ärgerliche Widersprüche und nicht-folgerichtige, also falsche Abläufe. Dafür nur zwei kleine und ein gravierendes Beispiel:

 

Grafenberg hatte an diesem Abend mit Maren Köster zum Griechen gehen wollen“ (123) – also muss die Polizistin wohl frei gehabt haben. Zehn Seiten später erklärt dieser Grafenberg: „Ich weiß, dass sie heute Abend Dienst hat.“

 

Seite 185: „Alzmann holte seine Reisetasche und warf wahllos einige Kleidungsstücke hinein“; beim Auspacken (196) werden dann „Hemd und Hose säuberlich gefaltet, die Strümpfe ordentlich auf rechts gezogen. Bei Alzmann hatte alles seine Ordnung“.

 

Aus einer E-Mail (aus welcher der Empfänger übrigens wenige Seiten später deutlich mehr herausliest, als drin steht) geht hervor, dass das Mordopfer von Textseite 2 einst einem Bekannten zwei Kisten mit Unterlagen zur Aufbewahrung gegeben hatte, und zwar vor einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt (186 ff.). Als die Polizei diese Unterlagen sichtet, stößt sie tatsächlich auf den für die Aufklärung des Mordes entscheidenden Hinweis – dummerweise in einem Tagebucheintrag, der erst nach dem Krankenhausaufenthalt geschrieben wurde, sich also gar nicht bei diesen Unterlagen befinden kann (238, 269).

 

Und schließlich: Dass Jupp Schulte höchstpersönlich mit seinem altersschwachen Volvo (ohne Blaulicht und Sirene) vom Heidental (wo auch immer das ist) über die Leopoldstraße in die Bülowstraße rast, um einen soeben stattfindenden Mord noch in letzter Sekunde zu verhindern – das ist natürlich hochdramatisch und poliert die Heldenrolle des Kommissars auf. Dass er das aber muss („Er allein war gefordert“), weil der „Detmolder Polizeiapparat“ mit all seinen Einsatzfahrzeugen von der Kreispolizeibehörde (normale Autoentfernung zu Bülowstraße laut Google-Map: 4 Minuten) oder vom Innenstadtrevier in der Grabbestraße (ebenfalls: 4 Minuten) zu spät gekommen wäre – das ist einfach nur Quatsch! (Anfang Leopoldstraße – Bülowstraße: 5 Minuten).

Sprache & Stil: naa jaa!

Das Beste zuerst: für Rechtschreibung gibt’s eine „1 -“, was für einen Regionalkrimi alles andere als selbstverständlich ist. Mir ist nur eine einzige das-dass-Verwechslung aufgefallen (ja, ja – ein Hobby von mir); die paar Groß-/Kleinschreibungs-Irrtümer sind offensichtlich Flüchtigkeitsfehler; und bei Getrennt-Zusammenschreibung ist der Duden seit der Rechtschreibreform ohnehin äußerst großzügig!

 

Aber ansonsten …. Über die nervende Weitschweifigkeit habe ich mich ja schon (noch nicht angemessen) ausführlich ausgelassen. - Etwas albern wirkt die eigentümlich-differenzierende Verklemmtheit, wenn zwar immer mal wieder ein „Scheiße“ in den Text eingestreut wird, ein „Ar…“ aber nur in zimperlicher Pünktchen-Camouflage erscheinen darf.

 

Insgesamt ist der Stil eher unbeholfen mit häufig ziemlich verqueren Formulierungen. Ich habe einen ganzen Strauß von Stilblüten gesammelt – zum Abschluss ein paar der schönsten davon:  

.

„Im Allgemeinen ließ sein Gang die angemessene Würde erkennen, die ihm die Erziehung seiner längst vergangenen Kinderzeit implementiert hatte“ (98)

 

„Betrachtete man [die Stadt Lage] unvoreingenommen, konnte man Schätze entdecken, die vorher im Verborgenen geblieben waren“ (123)

 

„Möglich war es, aber es konnte auch ganz anders gewesen sein“ (125)

 

„Bin ich ein Körper? Oder habe ich einen Körper?“ - „Die regengepeitschte Lemgoer Altstadt ist eigentlich kein Ambiente für philosophische Exkursionen“ (148 f.)

 

„Auch jetzt – Stunden später [!] – war das gerade [!] Geträumte noch präsent.“ (282)

 

Da „platzt ein Impuls wie eine Seifenblase“ (133)

 

 

Hin und wieder findet man aber auch echt coole Sprüche! Zum Abschluss einen der schönsten, über einen Autofahrer, den ein Polizist anhalten will:

 

„Er gab nicht klein bei – er gab Gas! (253)

 

 

-------------------------------------------------------------------------------

 

 

 

Varusfluch

Regional-Krimi aus Lippe

 

von:

Jürgen Reitemeier/Wolfram Tewes

 

Verlag topp+möller

Detmold  2008

333 S. – 11,20 Euro

 

ISBN 978-3-936867-28-2