Kulinarisches und Kriminelles im „Germanenhof“

„Gefährliche Empfehlungen“

Tom Hillenbrand liest aus seinem "kulinarischen Krimi"

g.WaSa     -     Lippe.     -    „Gefährliche Empfehlungen“ – nein, das ist kein Regionalkrimi aus Lippe. Der lokale Bezug ist trotzdem da: Das Detmolder „Buchhaus am Markt“ hat den Verfasser zu einer Lesung eingeladen: für  kommenden Freitag (3. Februar 2017) in den  „Germanenhof“ in Sandebeck. Dazu gibt’s ein französisches Menü – passend zur Genrebezeichnung auf der Titelseite: „Ein kulinarischer Krimi“.

 

Als gelegentlicher Gast des Germanenhofs verspreche ich mir viel von dem Menü. Als Vorab-Leser des Krimis erwarte ich nicht allzu viel von der Lesung. Nicht nur, weil ich von Lesungen aus Krimis wenig halte – schließlich will man da die Auflösung wissen und bis dahin mitfiebern und nach Möglichkeit mitermitteln. Aber vor allem auch, weil mich das Buch selbst nur mäßig begeistert hat.

 

Schauplatz Luxemburg

 

Der „Clou“ eines Regionalkrimis ist schließlich der regionale Bezug: man kennt die Schauplätze. Die „Gefährlichen Empfehlungen“ spielen unter anderem bei Lyon, in Paris, vor allem aber in Luxemburg. Wer – wie ich – Luxemburg nur von einem gelegentlichen touristischen Besuch kennt, kann wohl wenig damit anfangen, wenn die Wege der Hauptperson zwischen Ober- und Unterstadt - durch Straßen und Gässchen, bergauf und bergab … -  immer wieder liebevoll-detailliert geschildert werden. Wenn dann der Held mal Taxi fährt  kann sich der Leser an dem Gemecker des grobschlächtigen Taxifahrers delektieren – kann! – aber will er das?  

 

Spannung – mit Verzögerung

So quält man sich durch die ersten 100 bis 150 Seiten des Buches, auf denen relativ wenig passiert (immerhin gibt’s eine Leiche und einen spektakulären Diebstahl). Doch dann kommt allmählich Spannung auf, dann will man wissen, wie’s weitergeht, was es mit dieser Geschichte auf sich hat, die sich nunmehr abzeichnet:

 

Im Brennpunkt: ein Restaurantführer von 1939

Es geht um ein Buch, den „Restaurantführer Gabin“ aus dem Jahr 1939. Dieser Band ist extrem selten. Um eines der wenigen erhaltenen Exemplare zu bekommen, sind alle Mittel recht: Sex, Diebstahl, Raub, Mord … Sogar der zwielichtig-populäre französische Präsident ist ganz scharf auf diesen Führer; und da er seinen eigenen Geheimdiensten nicht traut, beauftragt er den luxemburgischen Koch Xavier Kieffer, ihm ein Exemplar zu beschaffen (schließlich hat der Küchenchef bereits in vier Romanen kriminalistische Erfahrungen gesammelt). Was diesen alten Gourmet-Schmöker dermaßen brisant-wertvoll macht, weiß weder Xavier noch seine Freundin, obwohl die – „La Gabin“ – doch Erbin und Chefin des Gabin-Verlages ist. Dennoch reist der Koch auf der Suche nach dem Buch und dessen Geheimnis kreuz und quer durch Frankreich und schlägt sich mit mindestens zwei rivalisierenden Banden herum.

 

Kulinarik – im Hintertreffen

Xaviers Luxemburger Spezialitätenrestaurant und dessen Gäste werden darüber etwas vernachlässigt. Die Küche dient als Kampfplatz, in dem Supergrill „Salamander“ werden keine Steaks gebraten, sondern die gefährlichen Bücher abgefackelt, in der Mikrowelle wird kein Gemüse gegart, sondern die digitale Kopie der Bände geröstet … So scheint dem lesenden Gourmet auch das Prädikat „kulinarischer Krimi“ etwas hochgegriffen. Klar: der Koch sucht immer wieder die eine volkstümliche Brasserie, das andere populäre Café auf, um dort Wein zu trinken und – sympathischerweise – regionale Köstlichkeiten zu sich zu nehmen. Und im Glossar am Ende des Buches findet der interessierte Leser ein kleines Lexikon französischer und vor allem lëtzebuergischer Spezialitäten. Dem sollte man aber nicht blind vertrauen: wenn etwa „truite farcie“ mit „gefüllter Truthahn“ übersetzt wird (ich jedenfalls habe immer Forelle bekommen, wenn ich in Frankreich truite bestellt habe).

 

Ein Kurzzeit-Präsident und …

Vertrauen kann man dagegen darauf, dass es mit vielen anderen Details wohl seine Richtigkeit hat. Wenn der französische Präsident seinen Geheimagenten höchst persönlich per Motorrad zum konspirativen Treffen abholt, und seine Abwesenheit mit dem Besuch seiner Mätresse begründet, scheint das zunächst gar zu abwegig. Aber schließlich geriet vor nicht allzu langer Zeit ein leibhaftiger Präsident in die Schlagzeilen, weil er sich mit dem Motorroller heimlich zur Geliebten chauffieren ließ. Dass die Mätresse hier männlich ist … mon Dieu, das macht allenfalls linguistische Probleme („Gibt es eine männliche Form des Wortes Mätresse?“). Aber ansonsten sollte man doch keineswegs von dem Roman-Präsidenten auf den echten Amtsinhaber schließen.  

 

… ein Jahrhundert-Koch

Ganz anders bei einer weiteren gloriosen Persönlichkeit der Grande Nation: „dem Großen Soubec, dem berühmtesten Koch der Welt“, der an einigen Stellen im Krimi eine bedeutsame Rolle spielt. Er scheint 1 : 1 seinem realen Vorbild zu entsprechen: über 90 Jahre alt, mit einem kleinen Restaurant nahe Lyon, das seit 50 Jahren seine drei Sterne gehalten hat … Selbst den Namen Soubec muss man nur ein bisschen hin und her schütteln, um bei Bocuse zu landen.

 

D E R   „Guide“

Das Original (Quelle: Guide Michelin France)

Ja, und natürlich: der „Guide Gabin“, im Krimi DER Gourmetführer, in seinem strahlend-kobaltblauen Einband! Wohl kaum ein Leser, der nicht gleich an den realen – leuchtend roten – „Guide Michelin“ dächte. Es gibt einfach zu viele Übereinstimmungen, oder doch wenigstens Parallelen: statt des knuddeligen Michelin-Männchens ziert den Guide Gabin ein „kleiner, dicker George mit Kochmütze“.

 

Richtiggehend verblüfft war ich, als ich nachgelesen habe, dass die Rolle, die der Restaurantführer von 1939 im Zweiten Weltkrieg gespielt hat (dass er z. B. von den Invasionsheeren wegen seines guten Kartenmaterials gerne genutzt und für die amerikanische Army sogar nachgedruckt wurde) nicht etwa der Phantasie des Schriftstellers zu verdanken ist, sondern dass damit tatsächlich die reale Geschichte des Guide Michelin erzählt wird.

 

Allerdings: warum dieser fast 80 Jahre alte Führer auch heute noch so begehrt ist, wieso dafür verführt, geraubt und gemordet wird – das weiß offenbar auch die gewöhnlich gut unterrichtete Quelle Wikipedia nicht. Dafür müssen Sie tatsächlich Hillenbrands Buch lesen, in dem dieses letzte Geheimnis während eines Showdowns auf den letzten Seiten aufgelöst wird

 

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

Tom Hillenbrand:

 

Gefährliche Empfehlungen

 

Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers fünfter Fall

 

KiWi-Taschenbuch
ISBN: 978-3-462-04922-0
Erschienen am: 12.01.2017
416 Seiten, Broschur
Die Xavier-Kieffer-Krimis – Bd. 5

 

9,99 € (Deutschland)   /   10,30 € (Österreich)