Fischkopp in Pickertland

Externsteine-Krimi mit Ostfriesen-Kommissarin

WaSa Lippe – .Mindestens drei einheimische Autoren bzw. Autorenteams versorgen die Lipper regelmäßig mit Regionalkrimis. Als ob dies nicht reichen würde, schickt jetzt auch noch eine Norddeutsche ihre Kriminalkommissarin von der Küste nach Horn-Bad Meinberg, um dort einen Fall zu lösen: In Sandra Lüpkes „Wacholderteufel“ stehen die Externsteine und eine Kurklinik im Zentrum des kriminellen Geschehens. Und das kam so:

 

Hauptkommissarin Wencke Tydmers ist mit Mitte Dreissig bereits erfolgreiche Leiterin der Mordkommission in Aurich, also im tiefsten Ostfriesland. Aus dem Klappentext des Buchs kann man schließen, dass sie in ihrer Heimat bereits Fälle wie „die Sanddornkönigin“, den „Brombeerpiraten“ oder „das Hagebutten-Mädchen“ gelöst hat. Doch jetzt ist sie schwanger, hat familiäre / psychische Probleme und wird deshalb zur Kur nach Bad Meinberg geschickt, wo sie erwägt, zur Entspannung mal einen Krimi zu lesen und sich fragt, ob es wohl einen Krimi gebe, der in Bad Meinberg spiele – ein nettes Beispiel selbstreferentieller Ironie.

 

Vor allem aber trifft sie in der Kurklinik Sazellum auf weitere – problembehaftete – Schwangere. Die einzige der Frauen, mit der sie etwas engeren Kontakt hat, ist bereits am zweiten Morgen spurlos verschwunden – so dass Wencke plötzlich nicht nur einen Fall am Hals hat, sondern auch den vorpubertären Sohn der Verschwundenen betreuen muss.



 

 

Krimi-Dramaturgie und -Bilanz

 

Jetzt entwickelt sich der Fall nach gängigem Muster: die Kommissarin ermittelt (inoffiziell, natürlich), die Klinikleitung mauert, der eine oder andere Verdächtige kommt ins Spiel. Durchaus geschickt werden einige Andeutungen eingestreut, die vage auf die spätere Lösung hinweisen, aber vorerst noch nicht zu viel verraten.

 

Zum Einstieg gabs einen Selbstmord, und am Ende haben wir zwei erfolglose Mordversuche und einen Totschlag, der aber klare Notwehr war – für einen Lippe-Krimi eine vergleichsweise blutarme Bilanz (allerdings gabs in früherer Vergangenheit noch einen Brandanschlag und einen richtigen Mord, der dem Leser aber ebenfalls als Notwehrhandlung verkauft wird).

 

 

Sprache – Stil – Spannung

 

Sandra Lüpkes schreibt eine klare, verständliche Sprache. Ihr Text liest sich gut. Sie verzichtet – anders als einige ihrer lippischen Krimikollegen – auf überbordenden Adjektivgebrauch. Ausnahmen wie „filziges Kneipenlicht“ akzeptiert man gern mal zwischendurch. Unangemessene Dramatisierungen bleiben rar („Wennkes Sorge steigerte sich von Minute zu Minute“). - Nur gelegentlich neigt sie zu überflüssiger Redundanz: Wenn sie für die frühwinterliche Witterung mit „es war so ein Nichtswetter“ eine ungewöhnliche aber treffliche Formulierung findet, so mag die Erläuterung „grau und miesepetrig“ noch präzisieren. Aber warum nur muss sie dann auch noch ein gekünsteltes „es war, als wäre dem Wetterfrosch die Lust ausgegangen, und er hing nun unentschieden zwischen Sonne und Regen fest“ dranhängen (nebenbei: auch einer der seltenen Grammatikfehler)?

 

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, vor allem natürlich aus Sicht der Kommissarin, aber auch mal aus Sicht des Opfers oder anderer Beteiligter. Dabei bleibt es durchgehend interessant, auch wenn sich die Spannung kaum einmal zu herzklopferischer Dramatik steigert.

 

 

Erotik

 

„Wacholderteufel“ ist alles andere als ein erotischer Roman. Zwar ist die Kommissarin schwanger, aber wie und von wem sie es wurde, bleibt rätselhaft (vielleicht steht das in einem der Vorläufer-Romane). Dabei wird die Erotik im Verlauf der Geschichte durchaus zu einem tragenden Element, allerdings in Spielarten, die eher abtörnen als anregen. Insofern kann man der Autorin für ihre zurückhaltende Art der Darstellung nur dankbar sein.

 

 

Realitäts- und Regionalfaktor

 

Die Geschichte wirkt überwiegend realistisch und ist gut ins lippische Milieu eingebettet. Als Lipper findet man viel Bekanntes: zuallererst die Externsteine, die zur Zeit der Wintersonnenwende zum zentralen Schauplatz für Lüpkes Roman werden. Dann natürlich: den Hermann. Außerdem: die Lippische Landeszeitung und den singenden Bäcker von Bad Meinberg (der in der Realität sein Café inzwischen leider geschlossen hat), lippischen Pickert, die Detmolder Musikschule und zwischen Bad Meinberg und Detmold „das Haus mit der roten Hausnummer“. Dass Lüpkes mal rasch einen Burger King in den Süden Detmolds umsiedelt, ist erlaubte dichterische Freiheit.

 

Nachzuprüfen wäre noch, ob die Sage von dem titelgebenden „Wacholderteufel“ Erfindung der Autorin oder tatsächlich altes lippisches Sagengut ist. Auf ersteres deutet die ergebnislose Google-Abfrage hin; auch in Hagemeiners soeben erschienenen lippischen Sagenbuch (s. Besprechung auf dieser Seite) sucht man den Wacholderteufel vergeblich. (Vor einer Suche auf der von Lüpkes empfohlenen Seite www,teutosagen,de sei gewarnt – zu unleserlich ist dort die Schrift, zu umständlich die Navigation, zu unübersichtlich die Seitenstruktur). Auch dass der Detmolder Dichter Christian Dietrich Grabbe ein Stück mit dem Titel „Wacholderteufel“ geschrieben habe, konnte ich bisher nicht nachvollziehen – dagegen sprechen auch schon die geradezu grauenhaft schlechten Verse, welche Sandra Lüpkes dem Detmolder Dichter unterschiebt, obwohl sie selbst ihn als „deutschen Shakespeare“ bezeichnet (und damit wohl Heine zitieren will, der Grabbe den Ehrentitel „besoffener Shakespeare“ verliehen hatte). 

 

Nicht so ganz vertraut ist die Autorin mit der in Lippe wichtigen Holz- und Forstwirtschaft: da wird mal die (ursprünglich amerikanische) Roteiche als „hiesig“ bezeichnet, dann die glattrindige Buche als „borkig“. Dass Erlen mitten im Wald wachsen kann ja immerhin mal vorkommen; aber dass ein gewissenhafter Holzhandwerker für die Renovierung eines Fachwerkhauses frisch geschlagenes Holz verwenden soll – das muss man schon als massiven Angriff auf dessen Berufsehre betrachten.

 

Dafür wird der Niedergang des Kurbetriebs in Bad Meinberg geradezu vorbildlich-angemessen in Szene gesetzt, ebenso wie die rechtsradikalen Umtriebe, unter denen die Region im allgemeinen und die Externsteine im besonderen zeitweise zu leiden hatten.

 

Dass Lüpkes in einer lippischen Kneipe jedoch „Veltins“ ausschenken lässt, nehme ich ihr – angesichts der tollen Biere aus hiesigen Brauereien! – persönlich übel!

 

 



Sandra Lüpkes:

Die Wacholderteufel – Kriminalroman


Rowohlt Taschenbuch Verlag

Reinbeck bei Hamburg 2006

252 S. – 8,99 Euro

ISBN 978-3-499 24212 0