37 Arten, im Jahr der Fische „Ja“ zu sagen   (Okt. 2001)

Kammerspiele Paderborn:

Der Name - von Jon Fosse

übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel

 

Inszenierung:          Markus Dietze         

Ausstattung:           Monika Morsbach

 

 

WaSa.     -     Dass sich sechs Personen einen Tag lang NICHTS zu sagen haben, kommt ja bekanntlich vor. Dass einer, der seinen Hass auf das Theater offen ausgesprochen hat, aus diesem NICHTS ein Theaterstück macht, mag man ja noch verstehen. Dass eine Intendantin von ihren guten Schauspielern verlangt dieses NICHTS vorzuführen, wundert schon. Dass wir Zuschauer uns das 130 Minuten lang gefallen lassen, ist das eigentliche Phänomen dieses Stücks. (Ja, ja – ich weiß: in Norwegen hat das Stück den Ibsen-Preis bekommen; und Ostermeiers deutsche Erstaufführung war hoch gelobt!)

 

Um was geht’s? Ein hochschwangeres Mädchen (beeindruckend: Ariane Senn) kommt mit dem vermutlichen Kindsvater zurück ins Elternhaus, und alle zusammen zelebrieren ihre Unlust aneinander. Gesprochen werden nur Banalitäten, und die in meist unvollendeten, dafür dauernd wiederholten Sätzen; innerhalb der Sätze: lange Pausen (zwischen den Sätzen sowieso). Einziger Höhepunkt ist die quasi-monologische Phantasie des werdenden Vaters über ungeborene Kinder (Eckhard Ischebeck darf hier wenigstens einmal zeigen, dass er außer muffelig auch begeistert / nd sein kann). So etwas wie dramatische Auseinandersetzung deutet sich nur einmal, bei der Suche nach dem titelgebenden Namen für das Kind, an. Aber auch dieses Gespräch verläuft schnell im Sande. Der „Name“ ist weder Omen noch Schall und Rauch – es gibt ihn einfach nicht. Dann hört man noch ein paar mal ein hochdramatisches „Du hörst nie zu“; ansonsten lauten die herausragenden Aussagen „Ich geh mal ins Bett“, „weiß nicht“, „Ich glaub, ich geh ins Bett“, „Lange nicht gesehen“, „Ich geh mal wieder ins Bett“. Na denn: Gute Nacht! Und immer wieder: „Ja“. „Ja“: zustimmend, nachdenklich, zweifelnd, gelangweilt, abweisend,  fragend, gleichgültig, ...., meist aber einfach nur als gliederndes Element, damit die Pausen nicht gar zu lang werden. Ja. .................. Ja. ............................... Ja ....................... Nun ja!

 

Wenn schon im Text nichts steht, muss wenigstens die Inszenierung Ideen entwickeln. Das zumindest ist in Paderborn gelungen. Fosse hat sein Nicht-Drama in einem „Wohnzimmer“ mit „Fenster, Sofa, Sesseln, Couchtisch, Anrichte“ angesiedelt. In Paderborn ist das auf der Vorderbühne mit Sessel, Blumen und Familienfotos angedeutet. Doch wird hier dieses kleinbürgerliche Idyll von den Akteuren konsequent gemieden. Für sie ist hinten ein Guckkasten aufgebaut, der eine fensterlose Waschküche enthält: ein Fliesenboden, auf dem blaue Müllsäcke und gelbe Gummistiefel stehen. Statt auf dem Sofa muss die Hochschwangere auf Holzkisten oder gleich auf dem Boden sitzen. Zentrales Requisit: ein großer Wäscheständer, von dem sich die Darsteller dauernd bedienen, um sich immer wieder umzuziehen, wenn sie sich gerade nicht mit Unterwäsche begnügen (was in Einzelfällen – Amelie Leipprand als sexy Schwester – durchaus ein Augenschmaus sein kann). Das wird damit motiviert, dass die Kleider vom ewigen Regen nass sind (auch so ein atemberaubender Satz: „Scheußliches Wetter“).

 

Und noch eine Erkenntnis: In Paderborn ist das Jahr der Fische angebrochen. In der ersten Inszenierung – „Was ihr wollt“ – haben die Hauptpersonen transparente Koffer voll Wasser mit jeweils einem Fisch herumgetragen, die Anlass für die eine oder andere spaßige Bemerkung waren. Jetzt sind daraus vier wuchtige Aquarien geworden. Die passen zwar überhaupt nicht in die Waschküche, bieten aber den Akteuren Gelegenheit, autistisch auf die stummen Fische zu starren. Oder sollten die bunten Zierfische dazu dienen, dem Publikum wenigstens ein bisschen Unterhaltung zu bieten?