Wein, Klavier und Gesang 

kleines aber feines Format des Landestheaters Detmold

g.wasa     -     Detmold.     -     Vive la différence! Rechts eine knapp mittelgroße Schwarzhaarige, links eine hochgeschossene Blondine. Früher waren das mal – einerseits - ein kleines japanisches Mädchen aus einem „musikfreien Haushalt“, das jeden Sonntag um fünf Uhr früh aufstand, um vom kleinen Dorf 120 Kilometer weit in die Hauptstadt zum Klavierunterricht zu fahren; andererseits eine junge Deutsche aus einer Freiburger Familie, in der die Eltern Cello spielten und es keine Frage war, dass jedes Kind im Alter von fünf oder sechs anfängt, ein Instrument zu lernen; die dann bei „Jugend musiziert“ mitmachen durfe, diese Chance  versemmelte, weil sie – anstatt Klavier zu üben - lieber auf ihrem Pferd zwischen Schwarzwald und Oberrheinebene ausritt. – Das klingt so sehr nach Klischee (asiatische Tigereltern contra mitteleuropäisches Laissez-faire), dass es ausgedacht sein muss!

 

Aber nein! Die beiden sitzen leibhaftig nebeneinander in Detmolds sympathischster Weinhandlung: in Margot Schrimpers „In Vino Veritas“ in der Krummen Straße; hier  musizieren sie miteinander und erzählen zwischendurch ihre Lebensläufe, die sie letztendlich ans Landestheater Detmold geführt haben.

 

Auf ein Glas Wein

 

 

 

"Auf ein Glas Wein“ heißt das kleine aber feine Format des Landestheaters, bei welchem das Publikum – eben! - bei einem Glas Riesling oder Spätburgunder, eng gedrängt auf dem knappen Raum zwischen Regalen voller Öko-Weine sitzt und ein paar Künstler des örtlichen Theaters näher – fast möchte man sagen: intimer – kennen lernen darf.

 

 

 

 

An diesem Donnerstag sind es also die Mezzosopranistin Lotte Kortenhaus und die Korrepetitorin Sachie Furuya, die sich den Fragen von Öffentlichkeitsreferent Jens Kowsky stellen, Fragen, die manchmal schon ein bisschen zudringlich wirken, aber in der Regel von seinen Gesprächspartnerinnen souverän gekontert werden. So erzielt Sachie Furuya einen Lacherfolg, wenn sie auf die Frage, wie sie denn mit lippischer Kost zurechtkomme, erst tapfer antwortet, sie liebe deutsches Essen, dann aber mitten im Satz – „Pickert und Grünkohl, also die …“ – doch ins Stocken gerät, um schließlich die diplomatisch-zukunftsoffene Formulierung zu finden: „Da bin ich noch nicht so weit“.

 

Was macht eigentlich eine Korrepetitorin?

Darüber hinaus erfährt man endlich, was eine Kor- oder Solorepetitorin so macht. Natürlich kann man das bei Wikipedia nachlesen („… spielt am Klavier anstelle des Orchesters, wenn Sänger u.a. ihre Rollen einstudieren oder wenn Szenen geprobt werden, und gibt darüber hinaus in Einzelproben korrigierende musikalische Hinweise“), aber der Bericht aus der Praxis ist da doch aufschlussreicher: das Eingebundensein in den Probenbetrieb, die Notwendigkeit, mit und zwischen allen Beteiligten – Chor, Orchester, Dirigent, Solisten usw. – zu agieren und es allen Recht zu machen: „Da muss man schon mit sehr viel Geduld gesegnet sein“ – das hätte sie in ihrer Bescheidenheit so nicht gesagt, aber es kam hörbar von Herzen, als sie dieser Formulierung Kowskys zustimmte! Darüber hinaus sitzt sie auch mal als Mitwirkende im Orchestergraben (oder am Bühnenrand), wenn ein Tasteninstrument gebraucht wird, wirkt als musikalische Leiterin (Die kleine Zauberflöte, La voix humaine) und muss auch mal die Windmaschine bedienen, wenn – so im Fliegenden Holländer – der dafür eigentlich zuständige Schlagzeuger keine Zeit dafür findet.

 

Mezzosopran mit Leidenschaft fürs Lied

Und beim Glas Wein begleitet sie dann eben Lotte Kortenhaus – heute als Mezzosopran eine tragende Säule des Detmolder Opernbetriebs, aber eben auch mit einer „Lied-Vergangenheit“, die an diesem Abend in ihrer Vielseitigkeit wieder aufscheint: So stellt sie die Frage, die so viele beschäftigt und die vielleicht nie endgültig beantwortet wird: Tell me the truth about love aus den Cabaret-Songs (von Benjamin Britten vertonte W. A. Auden-Texte):

 

Some say that love’s a little Boy,

And some say it’s a bird,

Some say it makes the world go round

And some say that’s absurd ….

 

When it comes will it come without warning
Just as I’m picking my nose,
Will it knock on my door in the morning
Or tread in the bus on my toes,

Ebenso eindringlich: ihr deutsches Volkslied. Oder ein freches Chanson aus der Weimarer Republik: Erich Kästners „Abschiedsbrief“ einer Erna Schmidt, vertont von Kurt Weill:

 

Zwei Stunden sitz ich nun in Cafe Bauer.
Wenn du nicht willst, dann sag es ins Gesicht.
Deswegen wird mir meine Milch nicht sauer.
Ich pfeif auf dich, mein Schatz. Na schön, dann nicht!

…..

Ich sitz allein und wippe mit die Beine.
Verschiedne Herren reflektieren stark.
Bei Licht betrachtet seit ihr alle Schweine.
Was hilft das alles? Ich brauch hundert Mark.

 

Und schließlich ein paar „Banalitäten“ von Francis Poulenc. – Nach der Geschichte mit dem Reiten anstatt Klavierspielen, fragt man sich fast, ob die in einem „Hôtel“-Zimmer spielende Geschichte (nach einem Text von Guillaume Apollinaire) womöglich sogar ein bisschen autobiografisch gemeint ist: 

 

Ma chambre a la forme d'une cage,

Le soleil passe son bras par la fenêtre.

Mais moi qui veux fumer pour faire des mirages

J'allume au feu du jour ma cigarette.

Je ne veux pas travailler - je veux fumer.

 

(Mein Zimmer sieht aus wie ein Käfig,

die Sonne streckt ihren Arm durchs Fenster.

Aber ich möchte rauchen, um Phantome zu schaffen

und zünde meine Zigarette am Tageslicht an.

Ich will nicht arbeiten – ich will rauchen!)

                

Geografie oder Musik?

Aber lassen wir die Spekulation über Autobiografisches – halten wir uns an das, was die Künstlerin selbst verrät: dass sie beispielsweise zunächst eine ganz andere Berufslaufbahn einschlagen wollte: „Ich war immer sehr engagiert für den Umweltschutz“, bekennt sie (und ist es sichtlich immer noch – man schaue mal auf ihre Facebook-Seite!). Deshalb wollte sie Geographie studieren – tatsächlich eine gute Grundlage für Umwelt-Engagement! „Doch nach wenigen Wochen merkte ich, dass mich dieses Studium nicht interessiert“ – und sattelte um auf die Musik.

 

Zum Glück! (Sage ich als diplomierter Geograph und langjähriger Umweltaktivist). Zum Glück, denn dieses musikalische Talent zu vergeuden, wäre denn doch eine Sünde gewesen!

 

Glück und Leistung

Und ein spezielles Glück für uns Detmolder, dass beide den Weg hierher gefunden haben!

 

Apropos Glück: Lotte Kortenhaus kam erstmals als Gast nach Detmold, um in der Uraufführung von Alexander Munos Oper „Sogno d’un mattino di primavera“ mitzuwirken. „War es Glück, dass du danach gleich eine Festanstellung bekamst?“, fragt der Moderator. – Nein, das war kein Glück, es war ihre Leistung, macht sie – zurecht! – klar (auch wenn sie es nicht ganz so direkt formuliert).  

 

Frühe Beziehungen nach Detmold

 

Keine Rolle für das Engagement beider hier spielte sicherlich die Tatsache, dass beide eine frühe Beziehung zu Detmold haben (auch wenn man im Falle Sachie Furuyas schon recht weit „um die Ecke denken“ muss, um dies festzustellen):

 

Kortenhaus hat öfters ihre hier lebenden Großeltern besucht und damit Detmold – zwischen Freilichtmuseum und Externsteinen – bereits früh kennengelernt (der Großvater saß denn auch – sichtlich stolz – im Publikum).

 

Und Sachie Furuya? Sie kam zur Musik, weil sie das Klavierspiel aus dem  Nachbarhaus hörte – dort spielte jemand die Etüden von Burgmüller. „Ein ziemlich unbekannter Name“, meinte der Moderator. Ach, wirklich? Gerade in Detmold sollte man den Namen kennen: War es doch Burgmüller, der mit Grabbe – unserem Detmolder Grabbe – nicht nur durch die Düsseldorfer Kneipen zog, sondern auch sein satirisches Opernlibretto „Der Cid“ vertonte. – Allerdings zugegeben: das war Norbert Burgmüller (1810 – 1836). Der mit den Etüden ist dessen älterer Bruder Friedrich (1806 – 1874).