Alles unter Kontrolle? - Ein Spektakel für alle Sinne

"Funny Money": Folgenreicher Geldfund im Hof des Landestheaters

Alljährliches Hoftheater im einstigen Hoftheater

g.WaSa     -     Detmold     -     Alle Jahre wieder, so gegen Ende der Saison, räumt das Landestheater seinen Innenhof auf, füllt ihn mit Biertisch-Garnituren, installiert Zapfanlage und Bratwurstgrill – und dann kann es losgehen: das „Hoftheater“. Schon dieses hübsche Wortspiel macht Vergnügen: bezeichnet es doch den – profanen – Ort des Geschehens, erinnert aber gleichzeitig an die hehre Vergangenheit des Hauses, das einst vom regierenden Fürsten aus dem gleich nebenan gelegenen Schloss als „Hochfürstlich Lippisches Hoftheater“ begründet wurde.

 

Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen ...

Heute sollte das Landestheater (eigentlich) eine republikanisch-demokratisch kontrollierte öffentlich-rechtliche Institution sein – doch zumindest das Hoftheater bedarf immer noch des Wohlwollens einer allerhöchst-gnädigen Instanz: nunmehr des Wettergottes, der über Wohl und Wehe jeder Aufführung entscheidet. Da kann es schon mal sein, dass die Premiere ins Sommertheater ausweichen muss, wo die Besucher dann Kohldampf schieben und allenfalls mit Wein aus dem 2-Liter-Plastikcontainer abgespeist werden (à Bezahlt wird nicht). 

... und jedermann erwartet sich ein Fest

Doch dieses Jahr hatte Petrus ein Einsehen und bescherte zur Premiere erträgliche Spätfrühlings-Temperaturen und vor allem trockenes Wetter. Und so stauten sich also schon um Sechs erwartungsfrohe Hoftheater-Fans vor dem Eingang, um dann Punkt 18:30 Uhr den Hof zu stürmen und die besten Plätze zu belegen. Die einstündige Wartezeit bis zum Beginn wurde dann höchst angenehm überbrückt mit knuspriger Bratwurst, leckerem Salat und frisch gezapftem Bier. 

Ein Vergnügen für alle Sinne

Da hätte sogar jener Herr Bollmann zufrieden sein müssen, der vor ein paar Jahren unter dem schönen Titel „Walküre in Detmold“ eine Art bundesweiten Opern(-haus-)führer veröffentlicht, darin aber weniger die Opern gelobt als – gerade auch in Detmold – den Mangel an ordentlichen Wirtshäusern beklagt hatte.

 

Ein Event also für alle Sinne! Selbst für den Tastsinn (der ja auch die sog. Thermorezeption einschließt) ist Positives zu vermelden:  Am Ende des Stückes meinten meine Tischnachbarn erstaunt: „Es ist doch ziemlich kühl geworden. Das hat man gar nicht gemerkt, weil das Stück so unterhaltsam war“.

 

Womit wir endlich beim Thema wären! Das Stück: "Funny Money", eine vom Intendanten höchst persönlich inszenierte turbulente Komödie mit Torsten Rauers sehenswert-farbenfrohen Kostümen und dem atemberaubend-lustigen Text von Ray Cooney. 

Cooney – außer Kontrolle

Der inzwischen über 80-jährige Engländer Cooney ist in Deutschland nicht allzu präsent. Am bekanntesten ist seine Komödie „Außer Kontrolle“..Da geht‘s um einen Politiker, der sich mit einer Sekretärin im Hotel trifft, dort aber anstelle eines netten Schäferstündchens ein stressiges Tohowabohu erlebt. -  Von einer Aufführung vor längerer Zeit ist mir im wesentlichen dreierlei im Gedächtnis geblieben:

  1. zahlreiche Türen und Fenster, die sich immer wieder überraschend öffneten und vorzugsweise den Blick auf eine dahinter vorborgene Leiche freigaben.
  2. Es tauchten immer mehr Personen auf, um die Geschichte zusätzlich zu verkomplizieren.
  3. Ich habe mich halb tot gelacht.

 

Funny Money – oder Die Mühe, alles unter Kontrolle zu halten

Vielversprechend: Bühne mit Türen

Da wirkt es wie ein gutes Omen, dass jetzt die Hoftheaterbühne aus einer – von einem Sofa abgesehen („Totentanz“ lässt grüßen?) – leeren Bühne besteht, von der aber drei Türen und ein Treppenaufgang abgehen. Und tatsächlich: diese Türen werden im Lauf des Stückes eine tragende Rolle spielen, da immer wieder Figuren schnell hinter ihnen verschwinden, andere überraschend aus ihnen auftauchen werden – da ist es schon eine bewunderswürdige Leistung von Regie und Darstellern, nicht die Kontrolle darüber zu verlieren, welche Tür nun gerade an der Reihe ist.

 

Eine Leiche gibt’s hier freilich nicht (wenigstens nicht auf der Bühne), stattdessen einen mit        735 000 Pfund gefüllten Aktenkoffer. Den hat Henry, der Held der Geschichte, aus der U-Bahn mitgebracht, während „Mister X“, der ursprüngliche Geldbesitzer jetzt mit Henrys Koffer (Inhalt: 1 Notizbuch, 1 Schal und 1 angebissenes Sandwich) zu „Mr. Big“ unterwegs ist, bei dem er den Geld- gegen einen Rauschgift-Koffer tauschen soll.

 

Und so droht das Leben des „kleinen Langweilers“ Henry ausgerechnet an seinem Geburtstag total außer Kontrolle zu geraten. Henry ist klar, dass er ab jetzt von der Mafia gejagt wird, und will deshalb mit seiner Frau Jean  mit dem nächstbesten Flieger abhauen, der zufällig Barcelona zum Ziel hat. Doch so einfach ist das nicht: Jean – die noch viel bieder-harmloser ist als ihr Mann – will lieber ins eigene Bett und entwickelt sich vor Schreck von der abstinenten Hausfrau in Windeseile zur routinierten Alkoholikerin. Und dann tauchen – wie in „Außer Kontrolle“ – immer neue Personen auf, welche die Situation verkomplizieren: ein befreundetes Pärchen als Geburtstagsgäste; der Taxifahrer „Billiboy“; ein korrupter Polizist, der Henry erpresst;  ein sensibler Polizist, der Mr. X gefesselt und ertrunken aus der Themse gefischt hat, ihn wegen des Notizbuches aber für Henry hält und jetzt der vermeintlichen Witwe die Trauerbotschaft bringt. Dazu kommen die immer drängenderen Drohanrufe Mr. Bigs, der seinen „Oktenkoffa“ wieder haben will ... 

Als ob das nicht für genug Turbulenz sorgen würde: um die polizeilichen Ermittlungen zu sabotieren müssen fast alle Akteure auch noch dauernd falsche Identitäten annehmen und sich mal  hinter einer der Türen verstecken, mal überraschend aus einer solchen auftauchen ...

 

Ehrlich gesagt: zwischendurch habe ich immer mal wieder gedacht: Jetzt reicht’s aber! Dieser noch kompliziertere Schlenker, diese noch absurdere Wendung hätte nun wirklich nicht mehr sein müssen! Tatsächlich: eine Kürzung um 15 – 20 Minuten schiene mir durchaus angemessen! – Aber ob mir dann am Ende mein Bauch vor Lachen weniger weh getan hätte ???

 

Und wenn wir schon dabei sind: eine vorsichtige Aktualisierung hätte dem Stück auch gut getan. 735 000 Pfund (ca. 1,8 Millionen Mark) waren im Entstehungsjahr, 1994, bestimmt eine Menge Geld (um „Bali zu kaufen“, wie es Henry plant, hätte es schon damals nicht gereicht); aber heute kann man mit einer runden Million Euro keine allzu großen Sprünge mehr machen, auch nicht in „Barthelona“, wenn man dort eine sechsköpfige, nicht gerade anspruchslose Kommnune zu versorgen hat ...

 

Und dass der korrupte Bulle Henry allein mit dem an den Haaren herbeigezogen Verdacht, dieser sei schwul, erpressen kann, ist schon längst nicht mehr zeitgemäß; da hätte sich leicht ein anderes Motiv finden lassen. 

Jeans Zufluchtsort

Das Premierenpublikum hat sich von solchen Unstimmigkeiten in seiner Begeisterung nicht stören lassen! Und sie sollen ein allgemeines Lob für alle Beteiligten nicht verhindern: für den Bühnenbildner Hans-Günther Säbel und seinen perspektivisch-funktionalen Aufbau mit den „gewissen Extras“: der Hausbar oder der kleinen Öffnung, die – ganz nach Bedarf – die jeweils benötigten Requisiten (vom Telefon bis zur großen Holzfälleraxt) ausspuckte; für die Darsteller, die bei allem Durcheinander ihre Figuren stets präzise unter Kontrolle hielten; für die Regie und die Gesamt-Kontrolle ...

 

Mein Gott – diese Kostüme !!!

Und ein Extralob muss einfach sein für Thorsten Horst Rauer und seine Kostüme! Mein Gott, soll ich die wirklich beschreiben? Henry-Markus Hottgenroth war für mich ein Abbild Charlie Chaplins im „Großen Diktator“; der Taxifahrer Christoph Gummert erinnerte mich an James Dean (auch wenn ich den nie mit einer derartig wallenden Brustbehaarung gesehen habe), der Geburtstagsgast Hartmut Jonas trug Jimmy-Hendrix-Frisur zu leuchtend gelben Socken; Inspektor Roman Weltzien steckte im Colombo-Trenchcoat und hatte so knallrote Haare, dass sogar ich neidisch geworden wäre (wenn ich nicht gewusst hätte: seine sind unecht); der korrupte Bulle Joachim Ruczynski hatte plötzlich eine Figur wie Obelix. Und Ehefrau Jean .... verzeihen Sie, hochverehrte Frau Klinder, aber als ich Sie so gebückt von hinten sah, konnte ich den Gedanken an das derbe Wort vom „Arsch wie ein Brauereipferd“ einfach nicht unterdrücken ...  Schuld daran war natürlich der Kostümbildner mit seinen unförmigen Polstern!  Ebenso wie am Busen der Freundin Karoline Stegemann, der aussah wie der Bauch einer im 10. Monat mit Vierlingen Schwangeren ....

 

Erst dachte ich, all diese Outfits sind so absurd, die kann einer allein gar nicht erfunden haben, und hatte daher den Verdacht, es handle sich durchgehend um Zitate. Dramaturg Christian Katzschmann hat mir dann versichert, dem sei nicht so. Allein Henry-Hottgenroth habe ein filmisches Vorbild, allerdings nicht (wie ich dachte) Charlie Chaplin, sondern Monty Python. Auf Google-Bildern habe ich dann tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit John Cleese (oder vielleicht doch Michael Palin?) gefunden (ich bleibe aber trotzdem lieber bei dem kleinen Friseur, der sich plötzlich in der Rolle des Großen Diktators wiederfindet).

 

Landestheater Detmold (Hoftheater):

 

Funny Money!

 

Komödie von Ray Cooney

 

Besetzung

 

Regie:    Kay Metzger

Bühne:    Hans-Günther Säbel

Kostüme:    Torsten Rauer

Dramaturgie:    Christian Katzschmann

 

Jean Perkins:    Kerstin Klinder

Henry Perkins:    Markus Hottgenroth

Davenport:    Joachim Ruczynski

Slater:    Roman Weltzien

Betty Johnson:    Karoline Stegemann

Vic Johnson:    Hartmut Jonas

Taxifahrer:    Christoph Gummert

 

Weitere Termine:

 

14.05.2015 19:30 Uhr,

15.05.2015 19:30 Uhr,

22.05.2015 19:30 Uhr,

23.05.2015 19:30 Uhr,

24.05.2015 18:00 Uhr,

25.05.2015 19:30 Uhr,

06.06.2015 19:30 Uhr,

12.06.2015 19:30 Uhr,

13.06.2015 19:30 Uhr,

14.06.2015 18:00 Uhr,

20.06.2015 19:30 Uhr,

21.06.2015 18:00 Uhr