Mal wieder: ein Highlight im Grabbehaus

Landestheater glänzt mit Schönherrs „Weibsteufel“

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WaSa. Detmold     -     Kurz vor Saisonschluss gab’s im Grabbehaus nochmal ein Highlight zu genießen! Natürlich wird die vom Premierenpublikum begeistert beklatschte Inszenierung in die nächste Spielzeit übernommen (erstmals am 05.09.14 – weitere Termine unten). Merken Sie sich also schon mal vor: Karl Schönherrs „Weibsteufel“ in der Inszenierung von Angelika Zacek, ausgestattet von Alexander Martynow. Aber Vorsicht. Die vom Landestheater präsentierte Gattungsbezeichnung „Volksstück“ könnte in die Irre führen.

Der Autor

Bis zum Zweiten Weltkrieg war Karl Schönherr einer der erfolgreichsten österreichischen Dramatiker, wurde durchaus mal in einem Atemzug mit Schnitzler genannt; seine „Hausbühne“ war immerhin das Wiener Burgtheater. Doch später blieb er von den Bühnen verbannt, schien geradezu verfemt. Das mag mit dem Ruch des Tiroler Arztes als älplerisch-bodenständiger Heimatdichter zusammenhängen, den er vor allem seinen frühen Gedichten und Erzählungen verdankt („Inntaler Schnalzer“, „Tiroler Marterln“) aber auch Dramen wie dem „Bildschnitzer“. Dabei hat er selbst sich doch - in seinen späteren Familiendramen – als Nachfolger Ibsens und Strindbergs gesehen; ob zu Recht, das werden wir am Beispiel seines „Weibsteufels“ noch zu besprechen haben.

 

Hauptgrund für seine Mißachtung dürfte aber Schönherrs – vorsichtig ausgedrückt – mangelnde Distanz zu den Nazis gewesen sein. Den „Anschluss“ Österreichs hatte er in großdeutschen Versen bejubelt; der neue Nazi-Direktor des Burgtheaters ließ als erstes sein „Die Fahne weht“ spielen. Bereits 1933 hatte der „Völkische Beobachter“ angesichts von Titeln wie „Volk in Not“, „Glaube und Heimat“ oder „Erde“ Schönherrs „blutechtes, bodenständiges Schaffen“ gepriesen – und ihn damit als „Blut-und-Boden-Dichter“ bis in die jüngere Vergangenheit herein abgestempelt.

 

Der österreichische Star-Regisseur Martin Kušej (selbst jeglicher Nazisympathien unverdächtig!) hat seinen Landsmann dann aus der Vergessenheit geholt; 1987 inszenierte er in Graz Schönherrs Arzt-Drama „Es“; und 2008 feierte er Triumphe mit dem „Weibsteufel“ am Wiener Burgtheater (dann vom Münchner Residenztheater übernommen); mit der Einladung zu den Berliner Theatertagen war zumindest dieses Stück endgültig rehabilitiert – auch wenn man über seine Qualität sehr wohl diskutieren kann.

 

Das Stück

Der Inhalt des Drei-Personen-Stückes ist schnell erzählt: „Der Mann“ ist ein kränklicher Kümmerling („halt so ein blutschwaches Saugflaschen-Manndl“), aber schlau: als Hehler von Schmuggelware konnte er die Zöllner, die ihn seit Jahren belauern, immer austricksen.

Jetzt wird ein junger Zöllner (hier „Jäger“ genannt) auf das schöne junge „Weib“ des Hehlers angesetzt; doch der hat seinen Informanten, erfährt von dem Plan – und will den Spieß umdrehen: seine Frau soll dem ehrgeizigen Jäger schöne Augen machen und ihn so von der Jagd auf die Schmuggler ablenken. Der Plan geht auf; die Gewinne aus dem illegalen Gewerbe steigen, so dass sich der verlachte Schwächling das schönste Haus der Stadt kaufen kann. Doch was als betrügerisches Spiel gedacht war, wird zum leidenschaftlichen Ernst: der „Jäger“ und das „Weib“ verfallen einander; am Ende steht die tödliche Auseinandersetzung zwischen den Rivalen.

 

Natürlich wirft das Stück Fragen auf: Der Text vermag nicht zu erklären, wie aus dem berechnend-taktischen Beziehungsspiel so urplötzlich auf beiden Seiten unbesonnen-wilde Leidenschaft wird. Aber sei’s drum – schließlich ist „Liebe auf den ersten Blick“, gerade die unvernünftig-zerstörerische Leidenschaft aus heiterem Himmel, zumindest in der Literatur gang und gäbe, von Romeo und Julia bis Gustav Aschenbach.

 

Und das Frauenbild des „Weibsteufels“ kann für das Entstehungsjahr des Stücks, 1914, als völlig normal gelten, auch wenn es heute nicht nur ausgewiesenen Feministinnen die Haare zu Berge stehen lässt: Das Schönherrsche „Weib“ ist ganz und gar auf die Mutterrolle fixiert; was die junge Frau ihrem schwächlichen Mann vorwirft ist vor allem, dass er ihr in sieben Jahren Zusammenleben noch kein Kind gemacht hat; doch tröstet sie sich eben mit seiner Schwachheit: „grad darum hab ich ihn gern ... er ist, wie mein Kind ... ein hilfsnotiges Kind, das man hüten und pflegen muß“. Für den Mann sind die „Weiber ... grad wie die Kinder“; und seine Ehefrau ist nicht nur Eigentum, das „mir gehört“, sondern als solches noch nicht einmal Person sondern einfach „mein Sach“. - Und dann entwickelt ein solches Geschöpf Eigeninitiative: vom willenlosen Spielzeug der Männer wird es zur dominanten, manipulativen Regisseurin. Und plötzlich ist sie in den Augen der Männer (ihres Mannes wie des Jägers und natürlich auch des Autors) nicht mehr das liebenswerte „Kind, das eine Freud hat“ an einem Seidentüchlein und ein paar Spitzen, sondern wird – ganz nach dem Klischee von „Heiliger“ oder „Hure“ – zum „durchgeteufelten, eingeteufelten Weib“, das „so eine Gewalt hat“, dass Mann sie fürchtet: sie wird zum „Weibsteufel“.

Die Inszenierung

Keine Frage: eine Inszenierung 100 Jahre nach dem Entstehungsjahr, kann dieses Frauenbild nicht mehr bedienen – dazu bedarf es noch nicht einmal einer Frau als Regisseurin; Kušejs Wiener Version unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum von Angelika Zaceks Detmolder „Weibsteufel“.

 

Und ja! Zumindest diese beiden Inszenierungen rechtfertigen den Vergleich mit Strindberg! Ähnlich wie Kušej macht auch Zacek in Detmold aus Schönherrs alpenländischem Räuber-und-Gendarm-Melodram ein psychologisches Kammerspiel! Und damit zum beeindruckenden, auf jeden Fall sehenswerten Ehedrama! Die Frau wird zur Heldin, beinahe zur wuchtig-beherrschenden Figur wie in einer antiken Tragödie (auch wenn es am Schluss allein für sie gut ausgeht).

 

Die Bühne

Das Detmolder Bühnenbild unterstützt diese Inszenierung perfekt! Kušejs „Weibsteufel“ spielte auf einem geradezu archaisch anmutenden Stapel riesiger Baumstämme und übernahm damit Schönherrs Lokalisierung der hoch oben im Bergwald abgelegenen Schmugglerhütte. Die kleine Bühne im Grabbehaus zeigt immer noch die enge „Stube“ aus dem Originaltext.

Aber hier ist diese Stube vollgestellt mit Umzugskartons. Damit wird sie zur Durchgangsstation: alles ist auf den Umzug ausgerichtet, heraus aus dem einsamen Wald, hinunter in die Stadt; alles ist fixiert auf den angestrebten Kauf des prächtigen Hauses am Marktplatz, „mit der großen Toreinfahrt und den gemalten Fensterbögen“ – was werden da „die Leut die Mäuler aufreißen“! Es geht um den ökonomischen, um den sozialen Aufstieg vom armen kleinkriminellen Hinterwäldler zum geachteten städtischen Hauseigentümer.

 

Am Ende ist es dann die Frau, die diesen Aufstieg schafft, nachdem sie die Männer dafür ausgenutzt, gegeneinander ausgespielt, ausgebeutet hat: „Weiter brauch i dich nimmer“. Und am Ende des Stücks sieht sie sich erst am Anfang ihrer Karriere: „Wenn ich das Haus am Marktplatz hab als junge Wittib – da fang ich mir so junge Kraftkerl her, grad nach Lust!“ – Auch wenn in Detmold ihr letzter triumphierender Satz fehIt („Ihr Mannsteufel. Euch ist man noch über!“), so zweifelt man auch hier nicht an ihrem weiteren Erfolg!

Die Schauspieler

Schönherr stellt zwei unterschiedlichste Mannstypen gegeneinander: hier der schlaue aber kränklich-schwache (Ehe-)“Mann“, da der „Jäger“ als alpenländischer Kraftlackl. In Detmold werden diese beiden Rivalen von zwei Schauspielern verkörpert, die sich in ihrer Statur gar nicht so sehr unterscheiden. Um so beeindruckender, wie sie ihre unterschiedlichen Charaktere verkörpern, sich gegeneinander positionieren: Simon Breuer überzeugt als immer etwas geduckter, schon von Geburt an benachteiligter „Mann“, der aber (vermutlich: gerade deshalb) um so eifersüchtiger darauf bedacht ist ja nicht zu kurz zu kommen, immer bestrebt, die Stärkeren mit seiner skrupellosen Schlauheit aufs Kreuz zu legen. Ebenso eindrucksvoll gibt Christoph Gummert den draufgängerischen „Jäger“, der sich selbstbewusst am Anfang einer ordentlichen Karriere sieht, und sich dann chancenlos in der Affäre mit der Frau des anderen verheddert.

Und diese Frau? Das „Weib“? Wer die Kritiken, die Elogen auf Kušejs Inszenierung rekapituliert, mag den Eindruck gewinnen, Birgit Minichmayr sei in dieser Rolle nicht mehr zu toppen: sie wurde „Schauspielerin des Jahres“, sie feierte Triumphe als sich emanzipierende Frau, an der Wiener „Burg“ ebenso wie im Münchner „Resi“. Nicht zu toppen? Mag schon sein! Aber lassen Sie sich deshalb ja nicht davon abhalten, sich Ewa Rataj als „Weib(steufel)“ anzusehen! Diese Detmolder Schauspielerin, die uns schon in so mancher prägnanten Frauenrolle beeindruckte (von der „Mutter John“ bis Cleo vom „Schwarzen See“), hat hier wohl einen Gipfel ihrer Kunst erreicht: wie die sich zunächst – ihrer traditionellen Rolle gemäß! – wie eine Schachfigur hin und her schieben lässt, dann aber schnell ihr Potential erkennt und vor allem dieses Potential nutzt! Wie sie nun ihrerseits die Männer zu ihren Figuren macht, diese beherrscht und manipuliert, bis zum (bösen/triumphalen) Ende! Der Zuschauer wird sie bedauern, sie begehren, sie hassen, sie lieben! Was will man mehr, als Zuschauer? Und was kann man mehr wollen, als Schauspielerin? (An profane Dinge wie höhere Gage denkt man als dem Wahren-Schönen-Guten verpflichteter Kritiker natürlich nicht.)

Karl Schönherr:

Der Weibsteufel  - Volksstück

 

 

Besetzung

 

Regie:   Angelika Zacek

Ausstattung:   Alexander Martynow

Dramaturgie:   Christian Katzschmann

 

Der Mann:   Simon Breuer

Sein Weib:   Ewa Rataj

Ein junger Grenzjäger:   Christoph Gummert

 

Wiederaufnahme: am 05.09.2014, 19:30 Uhr, im Grabbehaus, Detmold

 

Weitere Vorstellungen: 28.09., 02.10., 12.10., 26.10., 09.11., 02.12., 21.12.2014, 25.01.2015