Die Diva

Gaby Blum als „Marlene“ auf der Detmolder Grabbebühne

(Foto: Landestheater Detmold)

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WaSa. Detmold.  -   Als erstes wundert man sich: Zum Auftakt erklingt ein Wiener Walzer; das hatte man bei einem Marlene-Dietrich-Abend nun gar nicht erwartet! Aber keine Angst: auch die jetzt auftretende Diva ist irritiert, um nicht zu sagen: sauer. „Für wen halten die mich? Für Hitler?“, keift sie, und hat sich damit angemessen eingeführt. Denn sie wird weiter keifen, weiter schimpfen, weiter wüten. Und dazwischen wird sie loben, schmeicheln, verführen. Denn der erste Teil der Detmolder „Marlene“-Inszenierung zeigt den Weltstar backstage, in ihrer Garderobe, also dort, wo sie sein kann, wie sie wirklich ist: manisch-depressiv, eben noch himmelhoch-jauchzend, jetzt zu Tode betrübt, mal freudig-optimistisch, mal verzweifelt-ängstlich. Mal frönt sie, in Gummihandschuhen den Boden schrubbend, ihrem Putzzwang („alles dreckig!“), mal lässt sie sich gehen, mal rühmt sie ihr eigenes diszipliniertes Pflichtbewusstsein („Ich komme aus einer alten Soldatenfamilie“). Jetzt ist sie Publikumsliebling und „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, gleich wird sie wieder Opfer ihrer panischen Angst: Angst der bald 60-Jährigen vor dem nicht mehr so ganz fernen Alter („alt werden sollte verboten sein“), Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Auftritt („ich geh’ da nicht raus!“).

Natürlich geht sie doch raus – und der zweite Teil des Abends zeigt einfach ihren Auftritt: Im wunderbar-sexy Goldpaillettenkleid, im üppigen weißen Schwanenfedermantel kommt die Diva auf die Bühne. War man im ersten Teil enttäuscht, dass der Star all die berühmten Lieder immer nur angedeutet, angesummt hat, so wird man jetzt entschädigt. Denn da sind sie: der Koffer in Berlin, die fesche Lola, Lili Marleen, Sag mir, wo die Blumen sind …  Zwischen all den Hits: der Flirt des Stars mit dem Publikum, mit einer fast schon schmerzhaft-affektierten Sprechweise, einer geradezu ikonografischen Gestik - Diva-Allüren, eben.

Die englische Autorin Pam Gems versteht sich auf Künstler-Biografien. Vor Jahren hat ihre „Piaf“ mit Ulrike Wahren in der Titelrolle auf der Grabbe-Bühne Triumphe gefeiert. Und jetzt also Marlene Dietrich, jener Weltstar aus dem Berliner Kiez, der nach dem triumphalen Erfolg mit dem „Blauen Engel“ nach Amerika ging und während der Nazizeit dort blieb. Damals lehnte sie nicht nur das Angebot des obersten Nazi-Propagandisten Goebbels ab, für eine astronomische Gage in „deutschen“ Filmen zu spielen, nein, sie stärkte als eifrige Truppenbetreuerin auch noch den amerikanischen Soldaten im Europaeinsatz den Rücken. Das haben ihr manche nicht verziehen, und so schwebt denn auch eine leise Angst vor Eier- und Tomatenwerfern über der ersten Szene des Marlene-Stücks, das ihren ersten Auftritt in der alten Heimat, im Jahr 1960, darstellt.

Dieses Star-Bild inszeniert Manfred Ohnoutka mit viel Gefühl für die wechselnden Stimmungen der Heldin. Und in Gaby Blum hat er eine Darstellerin, die es versteht, sich in diese Stimmungen einzufühlen, ihnen Ausdruck zu verleihen. Die Schauspielerin ist seit 1998 am Landestheater Detmold und hat in dieser Zeit viele Rollen eindrucksvoll gestaltet, wobei nicht zuletzt ihre Solo-Auftritte auf der Grabbe-Bühne unvergessen sind: als „amerikanische Päpstin“ oder als Maria Callas“, zum Beispiel. Dass die „Marlene“ Gaby Blums Abschiedsvorstellung in Detmold ist, bedauert man schmerzlich und genießt es um so mehr, wie sie noch einmal sämtliche Facetten ihres Schauspielerkönnens aufblitzen lässt und damit die Bühne beherrscht.

Trotz dieser herrschenden Rolle – auch die beiden Nebenfiguren verdienen lobende Erwähnung, gelingt es ihnen doch, ihren Figuren Charakter zu verleihen und ihnen die Sympathie des Publikums zu holen. Da ist einmal Lydia Voigt, die man leider viel zu selten auf der Detmolder Bühne sieht. Sie ist als selbstlose Freundin Vivian für Marlene Vertrauensperson und Schuhabtreter gleichzeitig. Und Ute Haußner-Unger ist als „Mutti“ Marlenes liebste Ansprechpartnerin, da sie – wohl seit einem KZ-Aufenthalt – stumm ist. Gleichzeitig hat sie den Part der Pianistin im Stück übernommen, und als solche blüht die eben noch autistische Stumme geradezu auf.

Der Premieren-Applaus war begeistert und lang anhaltend.   



„Marlene“, ein Stück von Pam Gems
deutsch von Angela Kingsford Röhl

Regie: Manfred Ohnoutka
Bühne: Hans-Günther Säbel
Kostüme: Torsten Rauer
Dramaturgie: Dr. Christian Katzschmann

Marlene: Gaby Blum
Vivian: Lydia Vogt
Ein Pianist: Ute Haußner-Unger

Musikalische Einstudierung / Korrepetition: Ute Haußner-Unger