Endlich: "Wieder live"

Symphonisches Orchester – noch auf Sparflamme und mit Abstand

g.wasa   -   Detmold.   -    „Wir vermissen Sie“ stand wochenlang auf den großen Transparenten am Detmolder Landestheater, solange das Haus wegen der Corona-Pandemie das Publikum ausschließen musste. – „Wir sind wieder da“ sollten die ersten öffentlichen Veranstaltungen heißen, zu denen sich die Türen am Samstag und Sonntag (13. + 14. Juni) wieder öffneten.

 

„Aber DA waren wir ja immer“, sagt Generalmusikdirektor Lutz Rademacher und verkündet das bessere Motto: „WIEDER LIVE“.

 

 

Endlich wieder live bietet das Symphonische Orchester des Landestheaters „Meisterwerke für kleines Orchester“.  Denn noch erlauben die behördlichen Restriktionen keinen Normalbetrieb mit großer Besetzung: Maximal 12 Musiker dürfen auf die Bühne und müssen die vorgeschriebenen Mindestabstände ebenso einhalten wie das Publikum, das im großen Saal auf Abstand platziert ist, nachdem es schon beim Betreten des Theaters einer ausgeklügelten Zugangs-Choreografie hatte folgen müssen. 

 

Corona und Theater

Aber immerhin! Rademacher freut sich sichtlich, mit seiner Truppe endlich wieder vor Publikum spielen zu können. Ausdrücklich äußert er Verständnis, ja sogar Lob für die behördlichen Maßnahmen, mit denen Deutschland bisher weit besser durch die Krise gekommen ist, als so manches andere Land. So ganz kann er sich allerdings ein paar kritische Seitenhiebe auf die eine oder andere Regelung nicht verkneifen, etwa auf die Reihen- (und Rang-?) -folge der Lockerungen: erst für Auto- und Möbelhäuser; viel später für Schulen und ganz spät erst fürs Theater. Dabei sind es doch die Kultur im Allgemeinen und das Theater im Besonderen, deren hohe Standards für Deutschland geradezu ein Alleinstellungsmerkmal darstellen, betont er unter dem Beifall des Publikums.  

 

Er verweist auf das Plädoyer des Dramatikers Albert Ostermaier für eine „Zukunft des Theaters“, das im Programmheft abgedruckt ist und in dem es einleitend heißt:

 

 „Theater schärft unsere Sinne, erschüttert unsere Welt und liefert den Impfstoff der Möglichkeiten, es ist der Versuch einer Immunisierung gegen die Vergröberung der Welt, gegen die Barbarisierung der Vernunft“ … kurz: Theater ist unverzichtbar.

 

Ein kleiner Trost: „Harmoniemusik aus Don Giovanni“

Es sollte ein Glanzlicht zum Ende der Saison 2019/20 werden: Mozarts große Oper „Don Giovanni“. Aber sollte sich der große Verführer etwa mit Mund-Nasen-Schutz aufmachen, die Frauen zu betören? Lieber hat das Landestheater das Dramma giocoso über den „bestraften Wüstling“ in die übernächste Saison verschoben.

 

Zum Trost gibt’s jetzt (unter Leitung des 1. Kapellmeisters György Mészáros) die „Harmoniemusik aus Don Giovanni“. „Harmoniemusik“ – so erklärt Rademacheer – bot vor allem in der Wiener Klassik den Komponisten die Möglichkeit, ihre Werke mithilfe eigens erstellter Auszüge populär zu machen und zusätzliche Einnahmen zu erzielen (frühe „best-ofs“, sozusagen, in der Regel für ein Bläser-Oktett eingerichtet).

Wagenseils Posaunenkonzert

(Foto: Landestheater)

 

 

Es folgt das Concerto für Posaune und kleines Orchester des Mozart-Vorläufers Georg Christoph Wagenseil (1715 – 1777), das dem Detmolder Posaunisten Matthias Weiß Gelegenheit gibt, als Solist zu glänzen.

 

Ganz lustig: Françaixs Bläserquartett

Rademacher stellt uns den französischen Komponisten Jean Françaix (1912 – 1997) vor: mit seinem „Quatuor für Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott“, das durchaus humoristische Züge aufweist, besonders in den beiden abschließenden Allegri: mal meint man einen Schwanensee zu hören – naja, sagen wir lieber: einen Ententeich mit dem Geschnatter einer Schar Wasservögel, mal vielleicht vier redegewandte Damen beim Kaffeekränzchen.  

 

 

 

Brahms Klavierstücke – ohne Klavier

Ein extra Hörerlebnis sind auch die Klavierstücke von Johannes Brahms – hier nicht in der Originalfassung, sondern von Detlef Glanert für ein kleines Orchester bearbeitet und dadurch noch „farbenreicher“ (Rademacher) als die Klavierfassung. Besonders beeindruckend: die abschließende Rhapsodie: Rademacher kündigt sie als „echten Rausschmeißer“ an und liefert mit seinem lebhaften Dirigat dann auch den überzeugenden Beweis für diese Behauptung.

 

 

Mit der „Fledermaus“-Ouvertüre verbreitet sich dann beinahe ein bisschen Wiener Neujahrskonzert-Flair.

 

Ein Abschied: Megan Marie Hart

(Foto: Landestheater)

Und danach schließlich - nicht etwa ein sanftes Ausklingen der Konzert-Matinée, sondern nochmal ein Höhepunkt: Megan Marie Hart brilliert mit Mozarts Konzertarie „Misera, dove son?“ Es ist sozusagen ihre Abschiedsvorstellung, denn die Sopranistin verlässt Detmold, um ein Engagement in Darmstadt anzutreten, wie uns Lutz Rademacher (so sehr er ihr den Karriereschritt gönnt – doch mit Bedauern) verrät, der auch noch einmal ihre künstlerischen Höhepunkt in Detmold in Erinnerung ruft: Tosca, Gilda, Aida, Luisa Miller, um nur diese zu nennen. Ihre „Donna Anna“ ist ja dem Corona-Lockdown zum Opfer gefallen.

 

Jetzt singt sie noch einmal, als wolle sie uns zeigen, was wir an ihr verlieren. (Als ob wir das nicht ohnehin gewusst hätten!)