Ach je, das liebe Geld ...  

Wenig Mehrwert in Eckoldts Lustspiel über Mammon

 

 

Dr. Katzschmann: „Ein Aufklärungsstück (?)“)

Dr. Eckoldt: „Nein! Ein Lustspiel!

(Dramaturg und Autor über das Stück

„Mammon zieht blank!“)

 

 

Ein Lustspiel ... (?)

g.WaSa     Detmold.     -     Vermutlich hat niemand Wetten darüber abgeschlossen, wer von den beiden Recht behalten wird. Aber nach der Premiere steht fest: Katzschmann hat verloren!

 

Aber ob deshalb Eckoldt gewonnen hat? Ist sein Stück „Mammon zieht blank!“ tatsächlich ein Lustspiel? Der Untertitel behauptet es: „Lustspiel über Geld und andere Scharfmacher“. Aber reicht es zum Lustspiel, einen überspannt-schrillen „Entertainer“ mit bunter Blinke-Brille und „Zwinker-zwinker“-Rhetorik auftreten zu lassen (sehr glaubwürdig: Martin Krah), der in mehr als zwei Stunden gerade mal ein halbes Dutzend Witze erzählt oder erzählen lässt? Und zwar durchweg reichlich abgestandene Witze? Der einzige, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn schon mal gehört  (und gleich wieder vergessen)  habe, geht so: „Was ist neu an der FDP?“ – „Die Farbe: Magenta!“ – Selten so (wenig) gelacht.

 

Aber gut, ich weiß: Das Publikum ist durch 1001 TV-Comedians abgestumpft und deshalb womöglich bereit, das alles unheimlich lustig zu finden. Aber ich würde gerne einen höheren Anspruch an „mein“ Landestheater stellen, das jetzt – nach einem „Lustspiel zur Freiheit“ – schon zum zweiten Mal ein Stück bei dem Berliner Autor Matthias Eckoldt in Auftrag gegeben hat.

 

Ein Stück über Geld ... oder?

Um was es da gehen soll, hat das Landestheater so beschrieben:

 

Es geht um „Geld als stabilen oder instabilen Grund unserer Konsumentenexistenz ... [Geld]  verleiht uns Sex-Appeal und Glanz. Wir können damit alles erkaufen, jenseits von Recht, Sitte und Gesetz ... Aber was ist mit „im Tod sind alle gleich“? Auch diese letzten Schlupfwinkel hoffnungsloser Romantiker ... werden ausgeleuchtet mit einem literarischen Zerrspiegel“.

 

Erfreulicherweise vermeidet man hier das bombastische Wortgeklingel der Ankündigung zum Vorläuferstück; was aber hier wie damals auffällt, ist die Inhaltsleere: um was es tatsächlich gehen soll, bleibt völlig unklar.

 

‚Selber schuld!‘, muss ich deshalb gestehen, wenn ich mehr erwartet habe als ein lustarmes Lustspiel! Schuld gebe ich aber auch der Einführungs-Matinée, die in ihrem dramaturgisch-klaren Aufbau zumindest eine historische Revue in Aussicht gestellt hat, in welcher Schlüsselszenen der geld- und finanzpolitischen Entwicklung dem Publikum informativ und unterhaltsam näher gebracht werden; die aber auch die Hoffnung geweckt hat auf eine Erhellung der unverständlich-komplizierten finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge, wenigstens aber eine satirisch-pointierte Bloßstellung der Absurdität unseres gegenwärtigen Wirtschafts- und Geldsystems – eben die Hoffnung auf ein „Aufklärungsstück“. 

 

Und was wurde es dann? Ein eher verwirrendes Durcheinander von ungefähr vier Handlungs-Strängen:

 

)

 

Die Roulette-Spielerin

Zunächst: die Geschichte einer dem Roulette verfallen(d)en jungen Frau – angesichts des Bühnenbildes (ein riesiger Roulette-Tisch) und des zeitlichen Umfangs (gefühlte 40 Prozent) wohl der Hauptteil des Abends. Allerdings erklärt Roulette nichts, aber auch gar nichts über die Funktionsweise unseres Finanzsystems: es beruht auf reinem Zufall, während die Finanzmärkte durch Berechnung gesteuert werden (auch wenn uns Finanzlaien die Ergebnisse unerklärlich und damit womöglich „zufällig“ erscheinen, und auch wenn Möchtegern-Roulette-Profis sich einbilden, sie könnten ihre Gewinne vorausberechnen). Noch nicht einmal als Symbol der Geldgier taugt das Roulette – leiden dessen Opfer doch nicht unter Geldgier, sondern unter ihrer Spielsucht, was etwas völlig anderes ist. Das Elend der Spielsüchtigen hat bereits Dostojewski eindringlich dargestellt Und sage mir keiner, der habe ja nicht für’s Theater geschrieben! Vor wenigen Jahren hat das Theater Bielefeld eine (das muss ich als erklärter Gegner von Romandramatisierungen zugestehen) überzeugende Theaterversion des „Spieler“ auf die Bühne gebracht. Davon ist Eckoldts Roulette-Gebabbel weit entfernt.

 

Regisseurin Tatjana Rese versucht, die mangelnde Tiefe der Spielerinnen-Story durch Breite auszugleichen: Sie verdoppelt einfach die Figur der Spielerin (angemessen naiv: Stephanie Pardula und Anna Katharina Schwabroh). Wenn die beiden ein Zwiegespräch führen, kann das der inhaltliche Klarheit dienen; dass sie im Chor sprechen – dagegen mag man (angesichts der theaterhistorischen Rolle des Chors von Euripidis bis Schleef und Jelinek) nichts sagen; dass sie aber in identischen Sätzen um ein paar Sekunden versetzt gegeneinander anreden – das würde ich unter der Rubrik „ärgerliche Mätzchen“ verbuchen

Von Thomas Morus bis Hit-Woman: Eine historische Revue

Ärgerliche Regie-Mätzchen stören mich auch bei der zweiten Themengruppe: der historischen Revue. Während der Matinée wurde uns die Tulpenzwiebelspekulation (1936/37 in Amsterdam) und die Einführung des Papiergeldes (am franzöischen Königshof  1715 ff.) klar und vergnüglich dargeboten. Warum nicht auch in der Pemiere?! Da wurde die Tulpenspekulation durch den Schlager „Tulpen in Amsterdam“ banalisiert (das ist kein Vorwurf an das A-capella-Quintett SELBSTLAUT! – das hat den ganzen Abend mitreißend begleitet und am Ende mit den lebhaftesten Applaus bekommen). Im übrigen wurden die historischen Szenen durch albernes Gehampel des besagten „zwinker-zwinger“-Entertainers verunstaltet; und immer wenn’s hätte interessant werden können, wurde eh unterbrochen, um den „Spielerinnen“ Raum für ihr gehaltloses Geschwätz zu geben. Neben den erwähnten Ereignissen traten in der historischen Revue noch der „Utopia“-Verfasser Thomas Morus auf und Martin Luther, der mehr durch seinen Ossi-Dialekt beeindruckte als durch seine Philippika wider den Wucher. Die wahren Kronzeugen für die Entwicklung unseres Wirtschaftssystems blieben außen vor: Adam Smith und Karl Marx (der wurde vom Dramaturgen wenigstens während der Matinée zitiert), ebenso Keynes und Friedman,  ganz zu schweigen von Spezialisten für das Geldwesen wie Jean-Baptiste Say oder für die Funktion des Zinses wie Silvio Gsell. 

Die „Suchenden“ als „Top-Idioten“

1592 malt Pieter Brueghel d.J. das Bild "Die Schmeichler" - Originaltitel: „Solange das Geld in Strömen in meinen Beutel fließt, kriecht mir jedermann in den Arsch" - Das Original ist bis 28.6.15. in Paderborn zu sehen

Diese Defizite konnten auch die „Suchenden“ im dritten Handlungsstrang nicht ausgleichen (amüsant und präzise: Simon Breuer und Adrian Thomser). Die erinnerten in ihren Dialogen an die Top-Idioten in Eckoldts gleichnamigem Buch und in ihrem Gehabe an die tollpatschigen Detektive bei „Tim und Struppi“. - Eben so tollpatschig waren ihre Unterhaltungen über Alltagsprobleme des Wirtschaftsleben. Die wussten kaum, was ein Bausparvertrag ist, Portfolio („Portofolio“) hielten sie für „etwas mit Briefmarken“ und eine Wachstumsrate von 2000 % (zweitausend Prozent!) interpretieren sie als „Verdoppelung“.  Aufklärung? Oh weh!

 

Es ist wohl anzunehmen, dass Dr. Eckoldt als Autor ein etwas umfassenderes Verständnis für unser Wirtschafts- und Finanzsystems mitbringt!  Etwa so viel, wie in einem Vordiplom-Kurs „Grundlagen der Wirtschaft – eine einfache Einführung für Alttestamentler, Germanisten und Finanzpolitiker“ vermittelt wird.

 

Die Figur, die durchblickt? - Ewa Rataj als Mammonia

So scheint Eckoldt – wie einst Silvio Gsell – den Zins als Wurzel allen Übels identifiziert zu haben, was er immer wieder verkünden lässt, vorzugsweise  – vierter Handlungsstrang – von seinem Sprachrohr, einer geheimnisvollen „Mammonia“ (Ewa Rataj: im Outfit viel zu bieder; als Schauspielerin von der gewohnten Qualität). Aber wie passt dieses Zins-Bashing in eine Zeit, in der das Abschmelzen des Zinses auf nahe Null ausgerechnet für die Kleinsparer zum existenziellen Problem wird, wohingegen der Zins für die wahren Finanzhaie schon lange keine Rolle als Profitgenerator mehr spielt. Aber deren Instrumentarium – Derivate & Co. – ist  für ein Theaterstück, ein „Lustspiel“ zumal, wohl tatsächlich viel zu kompliziert!

 

Stattdessen speist uns Mammonia alias Eckoldt mit einer hübschen kleinen Geschichte ab:

 

Ein Gastwirt kassiert von einem potentiellen Gast 10 Gulden Anzahlung auf den Zimmerpreis. Mit den 10 Gulden zahlt der Wirt seine Schulden beim Metzger, der zahlt seine Schulden beim Bauern ... und so weiter, bis am Ende des „Reigens“ die Hure ihr Zimmer beim Gastwirt bezahlt. Der gibt die 10 Gulden dem Gast zurück, der das Zimmer doch nicht braucht. Damit ist das ganze Dorf schuldenfrei, obwohl der Reisende die dafür ursächlichen 10 Gulden wieder mit sich fortnimmt.

 

Tatsächlich – ein verblüffendes Ergebnis!  Eckoldt (der die Geschichte auch nicht erfunden hat; als ich sie zum ersten Mal hörte, spielte auf einer griechischen Insel mit 100 Euro anstelle der 10 Gulden) nutzt die Verblüffung, um – kurz gefasst – folgende Botschaft unters Volk zu bringen:

 

Diese nette Lösung der Schuldenproblematik ist nur möglich, weil darin der Zins ignoriert wird. Müssten die Schuldner Zins bezahlen, ließen sich die Schulden nicht so einfach beseitigen.

 

Da hat Eckoldt das Wesen des Zinses nicht so ganz verstanden. Nichts gegen das Anprangern von Zinswucher, der in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte eine wahrlich unheilvolle Rolle gespielt hat! Allerdings immer nur dann, wenn er in einer hierarchischen Beziehung zum Mittel der Ausbeutungs wurde (Großgrundbesitzer - Kleinpächter, Bankier - Schuldner usw.) Unter Gleichberechtigten (Gastwirt - Metzger ...) ist der Zins dagegen ganz normaler Preis für eine Dienstleistung (= die Kreditgewährung). Deshalb ist die hier dargebotene "Auflösung" des Schuldenrätsels – mit Verlaub! – schlichter  Mumpitz! Würde die Geschichte in einem System mit Zins spielen, dann hätte der Gastwirt die Zinskosten in seinen Zimmerpreis einkalkuliert und würde 11 statt 10 Gulden verlangen. Damit könnte er dann seine Schuld von 10 Gulden plus 1 Gulden Zins zurückzahlen usw.  (In Wirklichkeit löst sich die Verblüffung sofort auf, wenn man in den Kategorien der „doppelten Buchführung“ denkt, welche die beiden Seiten jeglicherTransaktion erfasst: wenn der Metzger vom Wirt 10 Gulden bekommt, steigt – einerseits – sein Bargeldbestand um diesen Betrag, andererseits nehmen aber seine Forderungen um denselben Betrag ab. In der Bilanz hat sich sein Vermögen um plus/minus Null verändert. Sprich: die griechische Insel ist nach Abreise des verhinderten Gastes genau so arm oder genau so reich wie vorher.).

 

Tja, und so bleibt eben alles im Unbestimmten, an der Oberfläche: mal ein Häppchen Sharing-Economy („Find ich im Prinzip gut. Aber bei meiner Bohrmaschine und meinem Auto ist Schluss“), mal ein angedeutetes Fragezeichen hinter dem Wort Wachstum ... 

 

Dass Mammonia als Warnerin vor den Machenschaften „Mammons“ am Schluss in die Anstalt gebracht wird, ist – realistisch betrachtet – eine überzeugende Wendung (aber was findet Tatjana Rese nur an dem rosa Kaninchenkostüm, in das sie schon im ersten Eckoldt-Stück den armen Moderator gezwungen hat, dass sie dieses alberne Utensil wieder aus dem Fundus holt, um es jetzt als Zwangsjacke zu missbrauchen?). Dazu kommen ein paar Ärgerlichkeiten: Wenn sich das Landestheater schon die Mühe macht, über den atemberaubenden Anstieg der US-Schulden eine Grafik anzufertigen – warum muss der hochgewachsene Entertainer dann genau vor diesem Plakat platziert werden, das Mammonia eigentlich dem Publikum präsentieren wollte? Handwerkliche Schlamperei? Oder sollte da (Entertainer verdeckt Information!) Symbolik dahinter stecken? (Falls ja: Bravo!) – Wie auch immer: wenigstens Ihnen soll die Information nicht vorenthalten bleiben!

  Aufgesetzt: die Sache mit der Kryonik

Wenigstens ein Versprechen der Ankündigung wird erfüllt: die Widerlegung des Irrglaubens „im Tod seien alle gleich“. Dazu wird eigens noch eine Truppe von „Kryonikern“ eingeführt, die in der Pause versuchen, den Zuschauern Verträge anzudrehen, wonach die sich rechtzeitig einfrieren lassen sollen, um dem allgemeinen körperlichen Verfall zu entgehen – ein ziemlich an den Haaren herbeigezogenes Thema, das zur Erhellung unseres Finanzsystems auch nichts beiträgt  (natürlich können sich das Einfrieren nur Reiche leisten. Aber – wenn schon Utopie – wieso soll, bis der wissenschaftliche Fortschritt das tatsächlich ermöglicht, nicht auch der soziale Fortschritt so weit sein, dass es sich jeder leisten kann? Dafür werden die Anbieter schon sorgen, denn nur das Massengeschäft bringt den massenhaften Profit!)

 

Kein Aufklärungsstück!  ....    Oder doch? 

 

Hat sich also meine durch die Matinée geweckte Hoffnung auf ein „Aufklärungsstück“ nicht erfüllt? Nein wirklich nicht! Nicht mal ein bisschen? Nun ja:

 

Ein kleiner Lichtblick: dass Mammonia zum Schluss als „Hitwoman“ auftrat – und damit vielleicht das Augenmerk der einen Zuschauerin, des anderen Zuschauers auf das dieser Szene zugrundeliegende Buch John Perkins „Confessions of an Economic Hit Man“ richtet. Kennen Sie nicht? Dann wird’s aber Zeit, dass Sie zumindest die Wikipedia-Zusammenfassung lesen!

 

Und schließlich: Das Highlight der Inszenierung (von dem ich mich frage, wann es entstanden ist – in der ersten Ankündigung waren die beteiligten Personen noch nicht im Rollenverzeichnis enthalten): Angela Merkel und Josef Ackermann tanzen Tango (vielleicht war’s auch eine Rumba). Wunderschön passend: der schweizer Dialekt des Deutsch-Bank-Chefs Ackermann (Philipp Baumgarten). Und Simon Breuers Angela-Merkel-Gehabe löste spontanen Auftritts-Applaus aus! Und vor allem: man erfährt, wie das damals wirklich war, mit der Garantie der Spareinlagen durch die Bundeskanzlerin und ihren SPD-Finanzminister – das war wirklich ein Stück (geradezu „investigatives“) Aufklärungs-Theater!

 

Davon hätte ich mir mehr gewünscht!

 

 

PS:

Ganze vier mal wird das kleine Stück über das große Geld nach der Premiere (in dieser Spielzeit) noch zu sehen sein. Nach meinem ganzen Gemecker kann ich ja schlecht mehr Vorstellungen fordern.

 

Aber wie wäre es, die wirklich informative und unterhaltsame Matinée noch ein paar mal zu wiederholen?!

 

 

Landestheater Detmold:

 

Mammon zieht blank   (Uraufführung)

Ein Lustspiel über Geld und andere Scharfmacher von Matthias Eckoldt

 

Besetzung

Regie;                       Tatjana Rese

Ausstattung:           Petra Mollérus

Dramaturgie:           Christian Katzschmann

 

Mammonia/ Närrin/ Hitwoman:     Ewa Rataj

Suchende/ Agent:     Simon Breuer / Adrian Thomser

Croupier/ Entertainer/ Adjudant/ König:     Martin Krah

Spielerinnen:     Stephanie Pardula / Anna Katharina Schwabroh

Herzog/ Luther/ Thomas Morus/ Josef Ackermann/ John Law/ Richard Ainley, Easterlin:     Philipp Baumgarten

A-capella-Quintett SELBSTLAUT!:
Julian Buhe / Benjamin Falk / Tobias Richter / Jakob Warlich / Michael Ziethen

 

 

Weitere Termine

20.05.2015 - 15:00 Uhr
20.05.2015 - 19:30 Uhr
22.05.2015 - 19:30 Uhr
06.06.2015 - 19:30 Uhr