Metzger schickt Wagner ins Kino

Derrick Ballard (Holländer), Susanne Serfling (Senta), Christoph Stephinger (Daland) - Alle Fotos: Landestheater Detmold

Wagner – Stammgast an Metzgers Landestheater

g.wasa     -     Detmold.     -     Der Detmolder Intendant Kay Metzger hat sich – auch überregional – einen Namen als Wagner-Regisseur gemacht. Jetzt, als letzte Inszenierung, bevor er als Intendant nach Ulm geht, bringt er noch den „fliegenden Holländer“ auf die Bühne, gemeinsam mit dem bewährten Team Petra Mollérus (Ausstattung – die wenigstens hätte er uns ja hier lassen können!), Lutz Rademacher (musikalische Leitung) und Elisabeth Wirtz (Dramaturgie). Nicht zu vergessen: Marbod Kaiser, für den dieser Holländer ebenfalls ein Abschied ist: bevor der Chorleiter in Rente geht, überreicht Metzger nach der Holländer-Premiere „dem Kaiser endlich die verdiente Krone“ (die einst Lear in der ebenfalls gemeinsam verantworteten Verdi-Inszenierung getragen hatte). 

 

Mit dem ‚Holländer‘ schließt sich ein Kreis“, verkündet Metzger – mit einer Prise Wehmut?  Mit dem „Holländer“ hat er seine vorherige Intendanz am Nordharzer Städtebundtheater beendet, und mit dem „Holländer“ steht nunmehr die letzte Oper des „Bayreuther Kanons“ auf dem Detmolder Spielplan. Bis auf zwei, die vor seiner Zeit gespielt wurden, hat die alle Metzger verantwortet.

 

Respekt für den Meister? – Oh je!

Dass sich Metzgers Respekt für den Meister bei aller Wagner-Begeisterung in Grenzen hält, hat er immer mal wieder demonstriert – zuletzt (sehr gelungen!), als er den „Meistersingern“ einen frechen Kobold implantiert hatte, der schnell zum Publikumsliebling avancierte.

 

Und nun?  Gerade beim „Holländer“ hatte Wagner sehr deutlich gemacht, wie er sich die Inszenierung vorstellte; unter anderem hat er festgelegt:

 

„das Meer zwischen den Schären muss so wild als möglich dargestellt sein; die Behandlung des Schiffes kann nicht naturgetreu genug sein  … Besondere Aufmerksamkeit fordert die Beleuchtung … um die Nuancen des Wetters … wirksam zu machen …“.

 

Und was machen Metzger/Mollérus mit diesen „szenischen Angaben“, um deren „genaue Beachtung“ der Meister bittet? Kein Schiff! (Die gefalteten Papierschiffchen wollen wir ja wohl nicht als Ersatz akzeptieren.) Überhaupt kein Meer! Auf das Unwetter draußen deutet drinnen nur ein Flackern der Lampen hin.

 

„Der fliegende Filmstar“

Drinnen? Drinnen! Dieser „Holländer“ spielt im altmodischen Foyer eines Kinos. Ja, Sie haben richtig gelesen: eines Kinos, mit einer an Hoppers „Nighthawks“ erinnernden Theke. Der Steuermann fungiert als Barkeeper; der Matrosenchor erklingt aus dem Off, später erscheint anstelle der Schiffsmannschaft eine Kellnerbrigade; die poliert Gläser, anstatt das Schiff zu versorgen, und anstatt Segel zu hissen, wedeln sie mit ihren Geschirrtüchern.

 

Wolfgang Körner hatte einst den 2. Aufzug / 1. Auftritt im „fliegendem Holländer“ so zusammengefasst: „Senta hat eine Art Poster vom Seefahrts-Django, und sie schwärmt von ihm, als wäre er ein Pop-Star“. Dass dies – wie so viel im „einzig wahren Opernführer“ - nicht ganz ernst gemeint ist, lässt schon der Klappentext vermuten: „ein höllisch-satirisches Vergnügen für alle, die Spaß an der Oper haben“.

Oder doch nicht nur Spaß? Kay Metzger und seine Ausstatterin Petra Mollérus bekennen sich zu den popkulturellen Wurzeln ihrer „Holländer“-Inszenierung. Ihre Bühne wird beherrscht von lebensgroßen Filmplakat mit dem Titel „Fluch der Meere“ – Johnny Depp lässt grüßen (und die Älteren mögen sich an den Bravo-Starschnitt erinnern). Auch der „Titanic“-Film hat Pate gestanden – dass dort ein männlicher Held sich für die Schöne aufgeopfert hat mag dazu beigetragen haben, dass so manche heutige Senta sich die Tragödie Leonardo di Caprios Dutzende und mehr Male ‘reingezogen hat.

 

Ist auch Metzgers Senta so ein Film-Freak? Während der Ouvertüre sitzt sie im Foyer des Kinos, begibt sich gelegentlich in den Kinosaal, während es zwischendurch immer wieder dunkel wird – wenn jeweils ein Tag verstrichen ist?

 

Das Kino-Bühnenbild biete die „Möglichkeit, Träume und Wünsche zu visualisieren“, hatte  Petra Mollérus vorab gehofft. Aber diese Visualisierung beschränkt sich dann auf ein paar Kinoplakate: mal der melodramatische Johnny Holländer, mal ein paar karibische Palmen; und wenn später der Holländer seine Sehnsucht nach Heimat besingt, so erscheint auf dem Filmplakat („Ruf der Heimat“) anstelle einer Seemannsbraut so eine Art Förster-Liesel.

                                              

Wenig Begeisterung für Schauplatz Kino

Eine deutliche Mehrheit der Premierenbesucher, mit denen ich gesprochen habe, war von der Verlagerung des Geschehens ins Kino – gelinde gesagt: - irritiert. Aber: ist der Schauplatz so wichtig?

 

Das Meer als Metapher

Braucht es sturmgepeitschte Wellen auf der Bühne, wenn das „unbeständige Meer lediglich eine Metapher für das menschliche Leben“ ist? Wenn das eigentlich Interessante „nicht die gruselige Seemannsballade ist, sondern was zwischen den Figuren vorgeht“? Davon ist zumindest die Dramaturgin Elisabeth Wirtz überzeugt. Und Metzger kann sich dem wohl anschließen, wenn er danach fragt, „was für Projektionen die beiden, Senta und der Holländer, voneinander haben“, „wo die Grenze zwischen Fiktion und Realität“ liegt.

 

Wahre Liebe ….. Ware Liebe

Mit dem „Holländer“ eröffnet der Intendant eine Saison, die er selbst unter das Motto „Aus Liebe“ gestellt hat. Aber: Das naive, weltfremde Mädchen kennt diesen geheimnisvollen Mann doch nur als Bild; in der Detmolder Version immerhin aus dem Kino. Aber in beiden Fällen handelt es sich um Fiktion. Und er? Er sieht in ihr – insofern ganz realistisch – Mittel zum Zweck: als seine Erlöserin. So ähnlich, wie Sentas Vater in ihr ein Handelsgut, eine Ware sieht.

 

Dass es keine Liebe sein kann, was die beiden verbindet, scheint allen klar zu sein. Was soll dann aus dieser Beziehung werden? Ist es eine Zukunftsvision, die wir auf der Detmolder Bühne mal eingeblendet sehen? Die beiden im heimeligen Lampenschein einer gemütlichen Stube; er Zeitung lesend, sie strickend (das Stricken ersetzt hier das originale Spinnen) – unwillkürlich denkt man an Kishons „Romeo und Julia“-Satire „Es war die Lerche …“.

 

Aber keine Angst – Wagner-Kenner wissen: vor einem solch öden Ehealltag, vor einem  derartigen Schrecken ohne Ende steht das (schreckliche? auf jeden Fall: gloriose) Ende: der gemeinsame Untergang, womöglich (je nach Fassung) mit anschließender „Verklärung“, sprich: gemeinsamer Erlösung. Und in Detmold?

 

Das schreckliche Ende

Das anmaßende Machoverhalten Wagners gegenüber seinen Frauen – seinen Partnerinnen im wahren Leben ebenso wie seinen literarischen Figuren – ist zur Genüge bekannt: sie durften sich glücklich schätzen, sich für den Mann aufopfern zu dürfen. Die Behandlung Sentas ist dafür nur ein besonders drastisches Beispiel.

 

Und Metzger? Setzt noch einen drauf! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich den Detmolder Schluss richtig verstanden habe, aber er geht wohl so: Senta stürzt sich nicht von der Klippe. Stattdessen gibt es ein ausgedehntes Hin-und-Her mit einer Pistole (mit welcher der Holländer schon vorher herumgefuchtelt hat, sich wohl erschießen wollte – aber da war er ja noch unsterblich). Doch jetzt … ist er plötzlich spurlos verschwunden. Tatsächlich in die „ew’ge Vernichtung“ aufgenommen? Und Senta? Die wir während der Ouvertüre überraschenderweise im Kino getroffen haben?  Überrascht uns auch jetzt, zum Ende. Wie? – Das hier zu verraten, würde den Überraschungseffekt zerstören. Nur so viel: Ein gar so grausames Schicksal hätten Sie, Herr Metzger, dem jungen Mädchen nun wirklich nicht bereiten müssen!

 

 

 

 

Landestheater Detmold:

Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner

  • Musikalische Leitung:           Lutz Rademacher
  • Inszenierung:                         Kay Metzger
  • Ausstattung:                           Petra Mollérus
  • Chor:                                      Marbod Kaiser
  • Dramaturgie:                          Elisabeth Wirtz

 

  • Daland:                                  Christoph Stephinger
  • Senta:                                     Susanne Serfling / Brigitte Bauma
  • Erik:                                       Ewandro Stenzowski / Stephen Chambers
  • Mary:                                     Lotte Kortenhaus
  • Der Steuermann Dalands:      Ewandro Stenzowski / Stephen Chambers
  • Der Holländer:                       Derrick Ballard / Lars Møller
  • Symphonisches Orchester
  • Damen und Herren des Opernchores

 

nächste Termine

 

Mi.13. Sep 2017         19:30 Uhr        Landestheater Detmold

Fr.15. Sep 2017          19:30 Uhr        Wolfsburg, Theater

So.17. Sep 2017         19:00 Uhr        Herford, Stadttheater

Fr.22. Sep 2017          19:30 Uhr        Remscheid, Teo-Otto-Theater

So.24. Sep 2017         17:00 Uhr        Fulda, Schlosstheater

Mi.27. Sep 2017         19:30 Uhr        Solingen, Theater der Stadt

Fr.29. Sep 2017          19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

So.08. Okt 2017         18:00 Uhr        Detmold, Landestheater

So.22. Okt 2017         17:00 Uhr        Bad Oeynhausen, Theater im Park

Sa.18. Nov 2017         19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

Mi.22. Nov 2017         19:30 Uhr        Paderborn, Paderhalle

Mi.06. Dez 2017         19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

Fr.12. Jan 2018          19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

Sa.20. Jan 2018         19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

Sa.03. Mär 2018         19:30 Uhr        Detmold, Landestheater

Di.20. Mär 2018          19:30 Uhr        Coesfeld, Konzert Theater

Fr.25. Mai 2018          19:30 Uhr        Gummersbach, Theater der Stadt