Die Welt ist ein Dreiecksverhältnis (.... unter anderem)

Landestheater Detmold stellt Spielplan 2013/14 vor

WaSa   -   Detmold.     Das Programmbuch 2013/14 des Landestheaters Detmold zeigt auf dem Titel einen großen tiefschwarzen Kreis; eine weiße Inschrift  weist darauf hin, dass es sich dabei wohl um ein Abbild unseres Globus handelt. Ja, wirklich! In der kommenden Spielzeit beschäftigt sich das Landestheater – man lese und staune – mit der „Welt“!

Vernichten oder erneuern? - Sinn und Unsinn eines Mottos

Wozu ist eigentlich ein Spielzeit-Motto nütze? Reicht es nicht, einfach gutes Theater machen zu wollen? Klar – diese Absicht darf man jeder Theaterleitung unterstellen, drum wäre es etwas dünn, oder gar peinlich, dies extra zu betonen. Also muss für jede Saison ein Leitmotiv her – auf die Gefahr hin, dass sich spätestens zum Jahreswechsel niemand mehr daran erinnert und dass zum Ende der Spielzeit kein Mensch zu sagen wüsste, wie denn nun dieses Motto in den alltäglichen Aufführungen umgesetzt wurde. Vorsichtshalber wählt man deshalb zwar beeindruckende, gleichzeitig aber auch möglichst allgemeine, globale Formulierungen, unter die dann alles irgendwo und irgendwie subsumiert werden kann. Und was wäre beeindruckender, allgemeiner und globaler als die „Welt“.

Und weil das dann doch gar zu pauschal wäre, wird dieses Objekt allen Interesses noch durch drei Verben angebunden: „entdecken – erobern – vernichten“. Es verdient Respekt, dass man diesen Anspruch gleich im Programmheft durch einen Gastkommentar Professor Wolfgang Sofskys zertrümmern lässt. Der fragt nämlich (wohl mit dem klassischen Idealbild des „Theaters als moralischer Anstalt“ im Hinterkopf):

 

„Weshalb soll die Theaterkunst aufrütteln, ... ja, der Weltgeschichte den rechten Weg weisen? Anstalten haben noch selten jemanden gebessert.“ – Allerdings bleibt er die Anwort schuldig, was dann Theater in 21. Jahrhundert zu leisten vermag und leisten sollte. Deshalb – fragen wir ruhig noch mal nach den drei Begriffen:

Entdecken“ – ja, natürlich! War es nicht schon immer Aufgabe der Theater, den Menschen bei der Entdeckung, dem Erkennen der Welt zu helfen? „Erobern“ – na, übernimmt man sich damit nicht? Aber immerhin: ein hehrer Anspruch!  „Vernichten“ – das bedürfte der Erklärung, aber die kann auch der Superintendent der Lippischen Landeskirche, Dr. Martin Duzmann, in seinem Leitartikel nicht liefern, obwohl er als evangelischer Militärbischof doch Spezialist für das Thema Vernichtung der Welt sein sollte. Aber nein, als positiv gesinnter evangelischer Christ fordert er stattdessen „Welt erhalten!“ Möchte man zustimmen – aber siehe da, das Theater selbst findet ein noch erstrebenswerteres Ziel: „Welt erneuern“ – das ist die Formulierung, mit der den Abonennten die neue Spielzeit schmackhaft gemacht werden soll.

Spielzeitschwerpunkt: Schwierige Paarbeziehungen

Aber lassen wir das Philosophieren über die Welt und was man mit ihr machen sollte. Schauen wir uns lieber das konkrete Programm an. Und da fällt einem ganz schnell ein anderes Motto ein: „schwierige Paarbeziehungen“ – gerne auch erweitert über die Zweierbeziehung hinaus. Zugegeben: schwierige Paarbeziehungen – das ist Alltagskost auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“, seit Sophokles, dessen Ödipus zum Synonym für Inzest geworden ist, über Shakespeare, den Großmeister solcher Verhältnisse, bis her zu Moritz Rinke.

Mit Shakespeares „Sommernachtstraum“, dieser herrlichen Pärchen-wechsel-dich-Komödie beginnt denn auch die Schau-Spielzeit. Schon zwei Wochen vorher eröffnet die Musiksparte mit dem Urbild aller tragischen Theaterpaare: Romeo und Julia, allerdings in Leonard Bernsteins moderner Musical-Adaption: „West Side Story“ – laut Intendant Metzger (der es denn auch selbst inszeniert) „eines der bedeutendsten und anspruchsvollsten Musicals“. – Wer wollte ihm da widersprechen?!

Und weiter geht’s mit den schwierigen Paarbeziehungen: in Donizettis „Liebestrank“, in Janaceks Oper über die verlassene schwangere Geliebte Jenufa und natürlich in Johann Strauss‘ Operetten-Potpourri über das ach so ungetreue Wiener Blut.

Dann ist da noch „Alice“, ein Musical von (u. a.) Robert Wilson und Tom Waits, dem Erfolgs-Team, dessen „Black Rider“ in Detmold noch in guter Erinnerung ist. Doch Vorsicht: es geht hier nicht um die skurrilen Erlebnisse von Alice im Wunderland, sondern um den Autor Lewis Carroll mit seinen pädophilen Neigungen! -  Im Gegenzug  kommt mit „Harold and Maude“ ein altbekanntes Kultpaar in umgekehrter Alters-Konstellation auf die Grabbe-Bühne.

Titelvignette zu "Stella" (Kupferstich von D. Chodowiecki)

Und dann wird das Grabbehaus zum Schauplatz von Dreiecks-Beziehungen: Da wäre zunächst der Klassiker „Stella“ von Goethe. Man wollte noch nicht verraten, welche Version das Landestheater auswählen wird: die ursprünglich-gute, in der die drei ein friedlich-liebevolles Zusammenleben pflegen, oder die (tod-)sündige mit Selbstmorden, die der freigeistige Goethe den Moralaposteln seiner Zeit noch hingerotzt hatte. Die Moralapostel dürfen sich auch vom „Weibsteufel“ bestätigt fühlen, wo das Dreiecksverhältnis Schmuggler – Ehefrau – Grenzer in der Katastrophe endet – kein Wunder, bei einem Autor, dessen Stücke von Wohlmeinenden als „erdig“ bezeichnet werden. Der tiroler Dichter Karl Schönherr war aufgrund seiner Nähe zu den „Blut und Boden“-Nazis lange verfemt; zumindest sein „Weibsteufel“ darf aber spätestens seit der furiosen Wiener Inszenierung durch Martin Kusej als rehabilitiert gelten.

Und gleich noch eine – ähnliche – Dreiecksgeschichte: „Written on Skin“, die Oper von George Benjamin und Martin Crimp. Eigentlich war an dieser Stelle die Uraufführung der besten Oper aus dem Giselher-Klebe-Wettbewerb vorgesehen, da aber kein Sieger ermittelt wurde, hat sich das Landestheater „hartnäckig bemüht“, die Rechte an dieser zeitgenössischen Oper zu bekommen und ist jetzt – nach Wiener Festwochen und Bayerischer Staatsoper sowie neben Bonn – das erste Stadttheater, das diese Neufassung einer alten provenzalischen Geschichte aufführt.

Eine Rarität ist „Das Triptychon“ – ein Zyklus von drei Operneinaktern von Puccini (muss eigens erwähnt werden, dass zumindest eines dieser Werke ein Dreiecksverhältnis zum Inhalt hat?)

Aus diesem Abgrund lasterhafter Verhältnisse ragt noch ein Höhepunkt hervor: „Kleiner Mann was nun“. In Falladas berührendem Roman aus den 20er Jahren ist es gerade die wundervolle Paarbeziehung zwischen dem „Jungen“ und dem „Lämmchen“, die noch Halt gibt in einer Zeit, in der die Zivilisation angesichts Weltwirtschaftskrise und Aufstieg der Nazis allmählich vor die Hunde geht. Dieses auch heute noch lesenswerte Zeit- und Sittengemälde wurde bereits mehrfach dramatisiert , zuerst durch Dorst/Zadek in Bochum  – trotz vieler Nachahmer bis heute unübertroffen.  Das war allerdings 1972, noch vor der Ölkrise, in einer Zeit von Vollbeschäftigung und anhaltender Wachstumshoffnung. In jenem Umfeld konnte man Arbeitslose schon mal als heiteres Ballett auftreten lassen. Später, in schlechteren Zeiten, wirkte das zynisch. Und Dramatisierungen, die das Düstere der Romanvorlagen betonten, haben dann oft die Erwartungen enttäuscht, die man aufgrund Zadeks legendärer Inszenierung gehegt hatte. Vor ca. 15 Jahren hat das Landestheater schon einmal eine von Zadek inspirierte Version gezeigt, die den Gratwandel zwischen Lachen und Weinen, zwischen 20er-Jahre-Glamour und Niedergangs-Elend einigermassen ordentlich hingekriegt hat.  Man darf gespannt sein wie das Landestheater heutzutage dieses vielschichtige Drama auf die Bühne bringt.

Fazit

Der Intendant und sein Programm

Vergessen wir das Motto. Freuen wir uns auf eine Spielzeit mit einer bewährten vielseitigen Mischung aus alt und neu, klassisch und modern, heiter und tragisch ... Zu erwähnen wären noch die Konzerte, die ergänzenden/begleitenden Informations- und Gesprächsveranstaltungen ... Zu Einzelheiten, ebenso wie zum Abonnement-Angebot  verweisen wir auf die detaillierten Informationen durch das Landestheater.

Unbedingt zu loben ist noch das liebevolle Engagement  für das Kinder- und Jugendtheater – unter vielem anderen mit Theater-Workshops, Schultheaterwoche und dem innovativen „Theater auf Rezept“.

Der Spielplan

Musiktheater:

Il Trittico (Das Triptychon) – drei Operneinakter von Giacomo Puccini
Premiere: Freitag, 18.10.13, Landestheater

Jenufa – Oper von Leos Janacek
Premiere: Freitag, 07.02.14, Landestheater

Written on Skin – Oper in drei Teilen von George Benjamin, Text von Martin Crimp
Premiere: Freitag, 11.04.14, Landestheater

L’Elisir d’Amore (Der Liebestrank) – Komische Oper von Gaetane Donizetti
Premiere: Freitag, 06.06.14, Landestheater

Wiener Blut – Operette von Johann Strauss
Premiere: Freitag, 06.12.13, Landestheater

West Side Story – Musical von Leonard Bernstein
Premiere: Freitag, 13.09.13, Landestheater

Heartbeat – Ballett von Richard Lowe
Premiere: Freitag, 20.11.13, Sommertheater

Don Quichotte – Ballett von Richard Lowe zur Musik von Ludwig Minkus
Premiere: Freitag, 28.02.14, Landestheater


Wiederaufnahmen:
Il Trovatore, Carmen, Tristan und Isolde, Hänsel und Gretel, Coppelia


Schauspiel:

Ein Sommernachtstraum – Komödie von William Shakespeare
Premiere: Freitag, 27.09.13, Landestheater

Kleiner Mann – was nun? – nach dem Roman von Hans Fallada
Premiere: Freitag, 15.11.13, Landestheater

Alice – Musical von Tom Waits, Kathleen Brennan und Robert Wilson
Premiere: Freitag, 21.03.14, Landestheater

Die vier Himmelsrichtungen – von Roland Schimmelpfennig
Premiere: Freitag, 09.05.14, Landestheater

Der Räuber Hotzenplotz – Märchenstück nach dem Buch von Otfried Preußler
Premiere: Donnerstag, 31.10.13, Landestheater


Rubbel die Katz – Komödie von Detlev Buck
Premiere: Freitag, 17.01.14, Sommertheater

Mailyn Monroes letztes Band – ein musikalisches Porträt von Bernd Steets
Premiere: Mittwoch, 02.10.13 im Grabbe-Haus

Stella – von Johann Wolfgang Goethe
Premiere: Freitag, 22.11.13 im Grabbe-Haus

Am schwarzen See – von Dea Loher
Premiere: Mittwoch, 22.01.14 im Grabbe-Haus

Harold und Maude von Colin Higgins
Premiere: Mittwoch, 12.03.14 im Grabbe-Haus

Der Weibsteufel – von Karl Schönherr
Premiere: Donnerstag, 22.05.14 im Grabbe-Haus

The Beggar’s Opera (Des Bettlers große Oper) – von Johann Christoph Pepusch / John Gay
Premiere: Freitag, 23.05.14 im Hoftheater

Wiederaufnahmen:
Jedermann, I Hired a Contract Killer, Münchhausen, Das kunstseidene Mädchen, Dr. Bizarr und die Kammer des Gauens, Bezahlt wird nicht


Junges Theater – KASCHLUPP!

Logbuch: Sex?! – Auftragswerk von Maja Das Gupta (ab 13 Jahren)
Uraufführung: Freitag, 13.09.13 im Kaschlupp!

Meins meins meins – von Inger Edelfeldt (ab 5 Jahren)
Premiere: Mittwoch, 07.05.14 im Kaschlupp!

Schlafen Fische? – von Jens Raschke (ab 10 Jahren)
Premiere: Donnerstag, 22.05.14 im Kaschlupp!


Wiederaufnahmen:
Der Bärenbeerenmaler, Hikikomori, Nach Toronto, Der Essotiger, Hokus Pokus Holderbusch