Dada. Oder gaga?

Grabbe-Preis für "In einem dichten Birkenwald, Nebel"    -  

demnächst Uraufführung im Detmolder Sommertheater

g.Wasa     -     Detmold     -     Haben Sie auch das „Bedürfnis nach weiteren Worten im Nichts“? Dann dürfen Sie sich freuen! Denn am kommenden Freitag kriegen Sie die reichlich. Oder so was Ähnliches. Dann wird nämlich im Detmolder Sommertheater Henriette Dushes Text In einem dichten Birkenwald, Nebel uraufgeführt.

Ihm hat's wohl gefallen: Intendant Metzger applaudiert der Preisträgerin

 

Vor einem Jahr hat Dushe dafür den Christian-Dietrich-Grabbe-Preis erhalten.

 

Dieser wird von der Grabbe-Gesellschaft und vom Landestheater Detmold alle drei Jahre verliehen – laut Satzung für „eine künstlerisch innovative Leistung“, diesmal allerdings für einen neo-dadaistischen Versuch, das absurde Theater der 50er Jahre wiederzubeleben:

 

Sechs Personen suchen eine Handlung

Sechs Personen suchen eine Handlung – oder vielleicht besser: Sechs Personen fliehen jede Handlung:  drei Frauen („Junge“, „Alte“, „Wedernoch“) und drei Männer („ein Männerchor“: Mann 1, 2 und 3). Zu Beginn tragen die Männer Brautkleider, die Frauen Ronald MacDonald-Kostüme. Nach einem guten Drittel des Stücks tauschen die Männer mit den Frauen die Kostüme. Warum? Womöglich um ein paar Minuten „nackt auf dem freien Feld“ stehen zu können?

 

Zunächst reden nur die Männer nebeneinander her: 1 hat wohl einen Auffahrunfall gebaut, als er Glühbirnen kaufen wollte; 2 wollte „die Kinder“ zu einem Kindergeburtstag fahren (und anscheinend nebenbei – als dramatische Steigerung? - noch Altglas wegbringen) und hat Angst, sich zu verspäten; als die Kinder dann endlich kommen, erkennt er sie nicht („die eigenen Kinder“); 3 hat vielleicht einen Burnout und erzählt, wie er es nach einem Urlaub nicht schaffte, sein Büro wieder zu betreten.

 

Dann fangen die Männer an, den titelgebenden Birkenwald abzuholzen, während die Frauen zu reden beginnen über .... über .... über ... tja, wenn ich das wüsste. Vielleicht gehts um einen (verflossenen) Liebhaber, sicher gehts mal um Bananen (die sie nicht mögen: „Wir sind doch keine Affen, verdammt noch mal“). Irgendwie geht’s fast immer auch um ein Auto (ob das was mit dem – vermuteten – Auffahrunfall von Mann 1 zu tun hat?): mal wird ein Auto verkauft, weil’s zu teuer ist; mal fährt man mit einem Auto in den Süden (wo’s dann meist regnet – genial: Wetter bringt’s immer!); möglicherweise gab‘s mal eine Fehlgeburt (was das mit dem Auto zu tun hat? Das fragen Sie mich? Ich weiß es doch auch nicht).

 

Psychopharmaka-Litanei und Whiskey-Mangel

Zeitweise fungieren die Frauen (kollektiv?) als Arzt („Herr Doktor“). Während die junge Frau ihre protestgeprägte Biographie herunterbetet (evangelische Jugend – Naturfreundejugend – Stadtschülerrat – sozialistische Arbeiterjugend – Jusos – Grüne – Linke oder lieber doch nicht Linke ....), zitieren die Männer als Patient(en) aus einen Medikamentenkatalog: von Adelphan über Herphonal, Hydroxyzin bis Neurolepsin und Protactyl. Bei Prozac (einem Antidepressivum) bleiben sie hängen. Deshalb machen die Frauen weiter: Quetiapin ... Ritalin ... Valium ... Zyprexal, während die Männer Lebenslauf-Details vortragen (Fußball  ...  Stepp-Tanz ... Reiten). 

 

So geht es immer weiter, bunt-wild durcheinander, ohne Sinn und Verstand. Wenn eine Regieanweisung endlich mal eine Sensation ankündigt („das Unausweichliche, das Absolute, das Totale ...“), dann folgt:

 

„Wir haben Yoga gemacht.

Yoga?

Kundalini-Yoga haben wir gemacht.

Haben wir wirklich Yoga gemacht?

 (…)

Natürlich haben wir Yoga gemacht, Yoga, Reiki und Meditation“

 

Und so geht das dann weiter, über Autogenes Training und Tai Chi bis zur Psychoanalyse und schließlich zu einem Studium generale. Den Protagonistinnen wird das schon selber zu viel:

 

„Lass es doch einfach  /  Endlich /  Gut sein.

Es reicht, komm

Sie soll aufhören.“

 

Ja! Es reicht! Sie soll aufhören! Aber es hört noch lange nicht auf. Oder, wie die Autorin schreibt: „es wird nicht müde, das Bedürfnis nach weiteren Worten im Nichts“.

 

Immerhin wird dann irgendwann die Hoffnung auf einen Tröster in all diesem Elend geweckt: Whiskey! „Whiskey ist sehr gut, der wird uns ein bisschen nach vorne  bringen“. Dann dauerts auch nur noch vier Seiten bis zum schlimmen Schluss:

 

„Der Whiskey ist aus?

Der Whiskey ist aus, ja.

Tut mir leid, tut 

Tut mir wirklich leid.“

 

Macht aber eigentlich nichts, denn wenigstens ist jetzt das Stück endlich am Ende. Wenn’s nach der Autorin geht, soll nur noch „Vollendet ist das große Werk“ aus Joseph Haydns „Schöpfung“ gespielt werden.

 

Bei Haydn endet damit – „Alleluja! Aleluja!“ - der 6. Schöpfungstag. Das Paradies kommt erst danach.   

 

Das Prinzip Hoffnung

Aus 69 Wettbewerbsbeiträgen hat die Grabbe-Preis-Jury „In einem dichten Birkenwald, Nebel“  als besten ausgewählt. Mein Gott! Die armen Juroren!

 

Aber nur Mut! Wie oft hat man schon erlebt, dass ein gewitzter Regisseur auch aus dem ödesten Stück noch einen interessanten Theaterabend herauszukitzeln vermochte.

 

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

 

 

 

 

Landestheater Detmold:

In einem dichten Birkenwald, Nebel

Schauspiel von Henriette Dushe    (Uraufführung)

 

Premiere:

Freitag, 15. Januar 2016, 19.30 Uhr, Detmolder Sommertheater

 

Einführungsmatinee:

Sonntag, 10. Januar 2016, 11.30 Uhr, Lippisches Landesmuseum, Ameide 4

 

 

Regie und Ausstattung:        Malte Kreutzfeldt

Dramaturgie:                          Christian Katzschmann

Ältere:            Heidrun Schweda

Junge:            Karoline Stegemann

Weder noch Marie Luisa Kerkhoff

 

Mann 1:         Stephan Clemens

Mann 2:         Roman Weltzien

Mann 3:         Henry Klinder

 

Weitere Vorstellungen:

Mi, 20.1./ Do, 28.1./ Fr, 5.2./ Mi, 10.2./ Sa, 13.2./ Sa, 2.4./ Fr, 8.4.2016