Vorspiel in der Kassenhalle

Vielversprechende „Sparkassen-Matinée“ des Landestheaters

WaSa   (Detmold) -   Ortsfremde mögen sich wundern, wenn sie an einem Sonntagmorgen kurz vor elf lange Schlangen vor der Detmolder Sparkasse erblicken. Ja – hier findet ein „Run“ statt; allerdings geht’s nicht um die lippischen Sparguthaben. Nein: da, wo sonst das finanzielle Herz der Region schlägt, sind heute die Pfosten und Bretter aufgeschlagen, die die Welt bedeuten. Und jederman erwartet sich ein Fest!

 

Die Sparkassen-Matinée, die jedes Jahr an einem September-Sonntag den Spielzeit-Auftakt des Landestheaters bildet, dürfte tatsächlich eine der populärsten Veranstaltungen des Theaters sein: Hier werden die neuen Ensemble-Mitglieder der Öffentlichkeit vorgestellt, hier wird vor allem auch Appetit gemacht auf das kommende Programm.

Neue Gesangstalente

So auch dieses Jahr, wieder einmal vor ausverkauftem Haus: Schon der Auftakt begeistert: Mit Milena Stefanski betritt ein neues Mitglied des Opernstudios die Tribüne – ein zartes Persönchen, das mit einer großen Stimme erfreut! Später folgen die ebenso stimmgewaltigen Neuzugänge Franzska Ringe, Gritt Gnauck und Beoung Kyu Jeon.

 

 

 

 

Zwischendurch stellt Ballettdirektor Richar Lowe eine neue Tänzerin vor, wobei er sich einen Spaß draus macht, die in Australien aufgewachsene Isabelle Heymann mit ihren Deutschkenntnissen prunken zu lassen.

Der Direktor: Von der kleinen zur großen Welt

Tradition hat auch – nach der Begrüßung durch den Sparkassendirektor – die Einführung des Intendanten in die Saison. Kay Metzger wandert als Theaterdirektor von der kleinen in die große Welt: er beginnt mit den Mühen des Saison-Anfangs, wenn mehrere Premieren vorzubereiten sind („es knirscht“), gibt sich hoffnungsfroh im Hinblick auf die zwei Premieren am Freitag, dem 13.09.13 („da müssen wir durch“) und vergisst auch nicht, die Förderer zu loben: vom heutigen Gastgeber Sparkasse über die „Theaterfreunde“ bis hin zum Publikum: „Sie sind unser wichtigster Sponsor“.

 

„Theater“, so Metzgers Credo, „bietet mit seinen bescheidenen Mitteln Raum für Begegnung und Kommunikation“. Er verbindet damit die Hoffnung, dass auch die Weltprobleme – namentlich im Nahen Osten, in Syrien – doch eher kommunikativ als konfrontativ gelöst werden mögen. Und er erinnert an 1914, das sich in dieser Spielzeit ja zum 100. Male jährt, und nutzt den denkwürdigen Anlass zu einem kleinen Loblied auf die Demokratie, das in den Appell mündet, das (weltweit eher seltene) Privileg des Wahlrechts auch zu nutzen – eine äußerst begrüßenswerte Aufforderung, die sich angenehm absetzt von dem pseudo-kritischen Wahlverweigerungs-Geschwurbel so mancher Möchtegern-Intellektueller!

Der neue GMD

Schließlich stellt Metzger den neuen Generalmusikdirektor vor, wobei Lutz Rademacher im Verlauf der Matinée bereits ausgiebig Gelegenheit hatte, sich selbst als Orchesterleiter zu präsentieren. Jetzt entlockt der Intendant ihm noch einige programmatische Aussagen: er wolle das „Orchester öffnen“, „mehr raus gehen“ etwa. Viel Applaus erhält er – natürlich! – für sein „wichtigstes Ziel: Sie, meine Damen und Herren, zu begeistern!“ – Kostproben dafür hat er in dieser Veranstaltung bereits geliefert!

Kennst du den Faust? - Die lustigen Personen und die Dichter

Ein Höhepunkt der Matinée ist wieder einmal der Auftritt der neuen Schauspieler, vorgestellt von Schauspieldirektorin Tatjana Rese. Dieses Jahr hat sie für die Präsentation einen namhaften Assistenten verpflichtet: Kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe liefert die Vorlage für das, was ziemlich despektierlich als „Detmolder Soap“ bezeichnet wird: Der „Faust“, ausgerechnet DAS Stück Weltliteratur wurde von von Rese und Dramaturg Katzschmann so frech geplündert, dass es eine Schande ist! Und so gekonnt zitiert, dass es ein herrliches Vergnügen ist! Der Universalgelehrte Heinrich Faust wird hier zum verkrachten Studenten Joe, Mefisto tritt als Marlborough-Cowboy auf; Gretchen mutiert zur Verwandten eines der versoffenen Studenten aus Auerbachs Keller; die Kupplerin Marthe wird zur teutoburger Pensionswirtin Maxi Schwerdtlein ... Die Detmolder Schauspiel-Neulinge Simon Breuer, Stephanie Pardula, Anna Sjöström (als schöne Helena sogar aus Faust II importiert), Karoline Stegemann und Roman Weltzien spielen so richtig schön auf!

 

Das Spektakel kulminiert in der Gretchenfrage – und die lautet hier (fast originalgetreu): „Wie hältst du’s mit der Region?“ Und das gibt den Darstellern (oder doch eher den Textverfassern?) die willkommene Gelegenheit, mal so richtig schön satirisch-ironisch über die beschauliche Provinzresidenz Detmold, über den behäbig-sparsamen Lipper herzuziehen! „Nach München drängt wohl alles? Ach ihr Armen!“, möchte man ihnen mit Gretchen zurufen! Seid ihr wirklich so gefrustet, dass ihr nur hier (her)untergekommen seid? Und es nicht an die Kammerspiele geschafft habt? Oder wenigstens ans BE?

 

Dann müsst ihr eben hier euer Bestes geben – mit dieser „Soap“ habt ihr’s ja schon mal versucht. Und bewiesen, dass ihr selbst in der biederen Detmolder Sparkassenhalle eine grandiose Show auf die Bretter zu stellen vermögt. Schade eigentlich, wenn diese Aufführung die einzige bleiben sollte.